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Carlo Ancelotti muss gehen.

Foto: AP/Meissner

München – Was das Maß bei Bayern München von der Mass am Oktoberfest unterscheidet? Das Maß bei Bayern war voll. Am Donnerstag hat sich der deutsche Fußballrekordmeister von Trainer Carlo Ancelotti (58) getrennt, dieser wird vorläufig von seinem Assistenten Willy Sagnol vertreten. Nach einer längerfristigen Lösung wird gesucht – im Gespräch sind Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann und Ex-Dortmund-Trainer Thomas Tuchel, der bereits in München wohnt.

Keine 24 Stunden dauerte es nach dem demütigenden 0:3 (0:2) bei Paris St. Germain in der Champions League, dann war Ancelotti nach 454 Tagen auch schon wieder Geschichte in München. Alarmiert vom langsamen, anhaltenden Zerfall der Mannschaft sahen sich die Bayern-Bosse genötigt, den renommierten Italiener vor die Tür zu setzen. "Als Folge einer internen Analyse hat der FC Bayern München Cheftrainer Carlo Ancelotti (58) freigestellt", teilte der Klub am Donnerstag kurz vor 16 Uhr mit.

"Offenes und seriöses Gespräch"

Die offizielle Begründung fiel knapp aus. "Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbeginn entsprachen nicht den Erwartungen, die wir an sie stellen. Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenzen ziehen mussten", ließ Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ausrichten. Er und Sportdirektor Hasan Salihamidzic hätten dies dem Italiener in einem "offenen und seriösen Gespräch erklärt".

Übergangslösung ist Willy Sagnol. Der ehemalige Spieler der Münchner und Trainer von Girondins Bordeaux, im Sommer an Ancelotti vorbei von den Münchner Verantwortlichen schon als Assistent verpflichtet, wird den FC Bayern am Sonntag bei Hertha BSC betreuen. Danach ist Länderspielpause. Als Kandidat für die Zukunft galt bislang Julian Nagelsmann, für eine längerfristige Nachfolge wird nun auch Thomas Tuchel gehandelt.

Rummenigge fordert

Rummenigge betonte, dass er die Entwicklung bedauere. "Carlo ist mein Freund und wird es bleiben, aber wir mussten hier eine professionelle Entscheidung im Sinne des FC Bayern treffen." Neben Ancelotti muss auch dessen komplettes italienisches Betreuerteam um seinen Sohn Davide gehen. Rummenigge hob hervor, er erwarte "von der Mannschaft eine positive Entwicklung und absoluten Leistungswillen, damit wir unsere Ziele für diese Saison erreichen". Mit seiner Taktik und Aufstellung in Paris hatte Ancelotti die seit Monaten wachsenden Zweifel an seiner Arbeit dramatisch verstärkt und die Trennung letztlich provoziert.

Ancelotti hat sich mit einem knappen Statement verabschiedet. "Es war eine Ehre, Teil der Geschichte der Bayern zu sein. Danke an den Klub, die Spieler und die grandiosen Fans. Ciao", schrieb der Italiener am Donnerstagabend bei Twitter und Facebook.

Rummenigge konnte seine Wut kaum verbergen, als er beim Mitternachtsbankett im L’Hotel du Collectionneur von einer "ganz bitteren Niederlage" sprach. Ancelotti ließ Stammkräfte wie Hummels, Boateng, Robben und Ribery zusehen, das rächte sich bitter. Die Pariser Millionenstars Neymar, Mbappe und Cavani hatten mit den Bayern, bei denen David Alaba vor allem vor dem dritten Gegentor schlecht aussah, ihre Hetz.

Hoeneß erklärt

Präsident Hoeneß ließ in einem Radiointerview am Donnerstagabend tiefer blicken, er bezeichnete den Abschied von Ancelotti als alternativlos. Der Italiener habe wichtige Führungsspieler des deutschen Fußball-Meister gegen sich aufgebracht, sagte Hoeneß am Rande eines Termins in Siegen dem Radiosender FFH.

"Du kannst als Trainer nicht deine prominentesten Spieler als Gegner haben", erklärte Hoeneß: "Ich habe in meinem Leben einen Spruch kennengelernt: Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste. Deswegen mussten wir handeln."

"Die Tatsache, dass der Trainer aus meiner Sicht in den letzten Tagen fünf wichtige Spieler – der Coman ja auch, den hat er auch nicht spielen lassen – auf einen Schlag gegen sich gebracht hat, das hätte er niemals durchgehalten", sagte Hoeneß. Ancelotti hatte am Mittwochabend in dem bisher bedeutendsten Saisonspiel Mats Hummels, Jerome Boateng und Franck Ribery nicht eingesetzt. Arjen Robben und Kingsley Coman kamen nur als Einwechselspieler zum Zuge.

Nagelsmann war angesichts von Hoffenheims Europa-League-Spiel gegen Ludogorets Rasgrad gezwungen, Stellung zu den Gerüchten zu nehmen. "Ich habe mich heute nicht damit beschäftigt, ich befasse mich nicht mit Spekulationen. Meine Medienabteilung hat alles von mir ferngehalten, was nichts mit dem Spiel zu tun hat", sagte Nagelsmann dem Fernsehsender Sport1. (sid, fri, APA, 28.9.2017)