Konstanz/Bregenz – Der Verdächtige ist in Haft, er hat ein Geständnis abgelegt – doch für die deutsche Polizei sind die Ermittlungen im Fall des Supermarkt-Erpressers nicht abgeschlossen. Kriminaltechniker untersuchten unter anderem den Computer des 53 Jahre alten Verdächtigen, wie ein Sprecher in Konstanz am Sonntag sagte. "Wir hoffen, dass wir im Laufe der kommenden Tage noch mehr zu den Hintergründen erfahren."

Der mutmaßliche Supermarkt-Erpresser hat die Vorwürfe gegen ihn gestanden. Außerdem habe er dem Haftrichter gesagt, dass er keine weiteren vergifteten Lebensmittel verteilt habe. Das teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Samstagabend in Konstanz mit.

Gegen den Mann aus dem Kreis Tübingen war Haftbefehl erlassen worden, er wurde bereits in eine Justizvollzugsanstalt gebracht. Der Vorwurf gegen den Verdächtigen lautet auf versuchte räuberische Erpressung.

Der Mann war nach Hinweisen aus der Bevölkerung am Freitagnachmittag festgenommen worden. Er lebte demnach seit 2005 in Baden-Württemberg. Zuvor war er in Bayern gemeldet gewesen. Zunächst hatte es geheißen, der Verdächtige sei 55 Jahre alt.

Babynahrung vergiftet

Der Erpresser hatte in Geschäften in Friedrichshafen Babynahrung vergiftet und einen Millionenbetrag gefordert. Er droht damit, bei Nichtzahlung deutschlandweit Lebensmittel zu vergiften.

Nachdem er einen entsprechenden Hinweis gegeben hatte, wurden in Friedrichshafen fünf mit Ethylenglykol vergiftete Gläser Babynahrung gefunden. Das am Donnerstag veröffentlichte Fahndungsfoto von dem Verdächtigen stammt von einer Überwachungskamera in einem der betroffenen Märkte.

Keine Entwarnung

Trotz der Festnahme eines mutmaßlichen Supermarkterpressers gibt es aus Deutschland noch keine Entwarnung für Kunden. Mit Blick auf möglicherweise vergiftete Waren rief die deutsche Polizei Samstagfrüh erneut zur Vorsicht auf: "Die Verbraucher sollten nach wie vor beim Einkauf wachsam sein", sagte Polizeisprecher Markus Sauter.

Trotz der veränderten Situation sollten die Menschen beim Einkauf auf manipulierte Produkte achten und die Polizei im Zweifelsfall informieren. Es gebe derzeit keine Erkenntnisse, dass der festgenommene 53-Jährige in Supermärkten oder Drogerien mehr vergiftete Lebensmittel als die bereits gefundenen Gläschen mit Babynahrung platziert habe – "die Geschichte ist aber nach wie vor aktuell", fügte Sauter hinzu.

Zweistellige Millionensumme gefordert

Die Polizei hatte am Donnerstag die Fahndungsbilder veröffentlicht. Der Mann soll mit der erneuten Platzierung von vergifteten Lebensmitteln in Supermärkten und Drogerien gedroht haben, um eine zweistellige Millionensumme zu erpressen. Gefahndet wird nach dem Erpresser auch im Ausland, vor allem in Österreich und der Schweiz.

Die Vorarlberger Polizei stehe in ständigem Kontakt mit den deutschen Ermittlern, sagte ein Polizeisprecher auf APA-Nachfrage. Hinweise auf einen Österreich-Bezug gebe es trotz der Drohungen des Erpressers, auch im Ausland aktiv zu werden, bisher nicht. Zeugen, die sich aufgrund der Fahndungsfotos, bei den Behörden in Vorarlberg meldeten, würden an die deutsche Polizei weitervermittelt.

Gang an die Öffentlichkeit

Die Polizei fürchtet weitere Taten. "Wir können nicht ausschließen, dass der Erpresser über das Wochenende erneut vergiftete Lebensmittel ausbringt", sagte Pressesprecher Jens Purath am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Dies sei der Grund gewesen, dass die Polizei das Thema publik gemacht habe.

Die Polizei geht aktuell davon aus, alle bisher vergifteten Gläser entdeckt zu haben. Das Gift Ethylenglycol sei in die Babynahrung eingerührt worden, hieß es von der Polizei. Beim Verzehr drohten "sehr ernsthafte Gesundheitsgefahren bis hin zum Tod". Die Drohung des unbekannten Erpressers umfasse aber nicht nur Babynahrung. Er habe gedroht, 20 verschiedene Lebensmittel zu vergiften.

Supermärkte prüfen Bestände

Supermärkte und Geschäfte in der gesamten Region erklärten lokalen Medienberichten zufolge, dass sie ihre Bestände angesichts dieser Drohung genauestens prüfen. Zur Frage, ob jemand in Erwägung ziehe, die geforderte Millionensumme zu bezahlen, machte die Polizei keine Angaben.

Es gebe keinen Grund zur Panik, erklärten Polizeisprecher. Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand sagte: "Ich kann nur alle dazu aufrufen, besonnen zu bleiben und jetzt besonders aufmerksam und vorsichtig zu sein. Bei einem Verdacht sollte jeder von uns sofort die Polizei informieren und sie bei den Ermittlungen unterstützen."

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg riet zur Wachsamkeit beim Einkauf: Eine Beschädigung der Verpackungen oder fehlender Unterdruck, insbesondere bei Gläsern mit Schraubverschluss – erkennbar am fehlenden Knackgeräusch beim Öffnen – könnten Hinweise auf Manipulationen sein, erklärte der Sprecher der Zentrale, Niklaas Haskamp. (APA, 30.9.2017)