Der Frauenanteil in Männerberufen steigt – aber äußerst langsam.

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Wien – Zu alt. Zu teuer. Nicht ins dynamische Team passend. Silvia Carlsson kennt Absagen wie diese zur Genüge. Ihr Berufsleben lang, ob im Tourismus oder im Projektmanagement, gab sie sich mit Jobs als Assistentin zufrieden. "Du bist ein Mädel. Sei bescheiden, du gehörst in die zweite Reihe." So sei sie einst erzogen worden, erinnert sich die 50-Jährige. Jetzt kämpft sie um neue Arbeit. "Ich bin dynamisch, will Nägel mit Köpfen machen – und einfach eine Chance."

Saltanat Shalakhmenova sucht seit zwei Jahren eine neue Stelle. Die gebürtige Kasachin schaffte es international bis in die Geschäftsführung, verkaufte Erdöl, arbeitete in Botschaften. Jobzusagen erhält sie dennoch keine. Sie gehöre der Generation 50+an, und ihre Kinder seien nun selbstständig. "Ich würde so gern noch lang arbeiten und Karriere machen."

200 Bewerbungen als Bürokauffrau

200 Mal hat sich Darijana Tasunovic als Bürokauffrau beworben. "Alles Absagen. Die jüngste innerhalb von fünf Minuten." Die 27-Jährige, die ihren Lehrabschluss vor zwei Jahren nachholte, kann ihren Frust kaum verbergen. Dass ihre Eltern sie bei der Betreuung ihres Kindes unterstützen, interessiere Arbeitgeber nicht, erzählt die Wienerin. Stattdessen gebe man ihr zu Bedenken, dass sie erneut schwanger werden könnte.

Der Arbeitsmarkt ist seit März erstmals seit 2011 spürbar im Aufwind, die Zahl der Arbeitslosen in Österreich sinkt. Viele fühlen sich dennoch ins Abseits gedrängt, vor allem Frauen mit Kindern und Ältere sehen sich auf dem Abstellgleis.

An Programmen und Geld fehlt es nicht

Petra Draxl will ihre Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt besser nachvollziehen. An Programmen und Geld, um mehr Frauen in die Arbeitswelt zu integrieren, fehle es nicht, sagt die AMS-Wien-Chefin dem STANDARD. 79 Millionen Euro stehen Wien 2018 als Ausgleichsbudget zur Verfügung, um ihre Gleichstellung zu fördern.

Draxl räumt offen ein, dass Berater des AMS in der Vergangenheit dazu angehalten waren, sparsam zu agieren, jeden Kurs auf seine Notwendigkeit abzuklopfen. In Zukunft erhalten arbeitssuchende Frauen aber ohne große Debatten das gesamte Paket, verspricht sie.

Knapp ein Dutzend brachte sie vergangenen Donnerstag an einen runden Tisch, mit dabei war auch SP-Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner. Ziel sei ökonomische Unabhängigkeit von Frauen, betont diese, damit ließen sich viele Folgeprobleme vermeiden. "Und es kann nicht sein, dass Frauen mit Beginn ihrer Pension letztlich die Rechnung für jahrzehntelange Ungerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt serviert bekommen."

Schön und bescheiden

"Vielerorts werden nach wie vor lieber Schönheitsideale als Karrieremöglichkeiten vermittelt", sinniert Marija Cvijanovic, die nach dem Schulabbruch eine grafische Lehre in der Medienbranche startete. Sie selbst habe gelernt, sich zurechtzufinden. Frauen gehöre aber von der Politik generell mehr Mut und Selbstbewusstsein zugesprochen, findet die 20-Jährige.

Schon Schülern müsse künftig mehr Wissen über Berufe vermittelt werden, fordert Emma Lisa Heidenreich, die im Alter von 17 als eine von wenigen Frauen eine Lehre als Mechatronikerin startete. Mädels in von Männern dominierte Branchen zu holen – dazu sind ihrer Erfahrung nach primär nur große Unternehmen bereit.

Umsatteln auf eine technische Lehre will auch Bianca Karlovits. Eine Krankheit verbietet der jungen Gärtnerin den Führerschein, was die Chancen auf eine Stelle in ihrer Branche stark reduziert. "Ich werde 21, ich will finanziell unabhängig von den Eltern sein."

Mehr Vertrauen der Arbeitgeber ins Homeoffice und Kreativität bei einem Wiedereinstieg erhofft sich Bettina Gruber, die vor ihrer Kinderkarenz in einem Konzern den Futtermittelhandel managte.

Bessere Ganztagsbetreuung und Männerkarenzen gefordert

Sabine Klein sieht den Hebel in besserer Ganztagesbetreuung für Kinder und mehr Männerkarenzen. Ihr eigener Mann blieb dreimal daheim bei den Kindern, als Einziger seiner Firma, erzählt die Akademikerin, die in der Erwachsenenbildung Fuß fassen will. "Die Karenz vermittelt Kompetenzen, die auch im Beruf gefragt sind – Wertschätzung für die Arbeit daheim steigt." Es braucht gesellschaftliches Umdenken, ist auch Silvia Stallinger überzeugt, die ihre Arbeit als Chefsekretärin verlor. "In vielen Betrieben getrauen sich Männer ja gar nicht zu fragen, ob sie in Karenz gehen können."

Man kann nach Außen hin noch so emanzipiert und in Führungspositionen sein – Rollenbilder prägen, sagt Rendi-Wagner. Sie selbst müsse sich täglich immer wieder daran erinnern, diese zu überwinden. "Das kostet viel Kraft." (Verena Kainrath, 1.10.2017)