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Wien – Die SPÖ hat in der Causa Silberstein Konsequenzen ergriffen: Die Parteiführung hat jenen Mitarbeiter, der eine mutmaßliche Schlüsselfigur in der Affäre sein soll, suspendiert. Der Parteimitarbeiter soll in jenes Dirty Campaigning über zwei Facebook-Seiten, das der Berater Tal Silberstein mit einem Team betrieben hat, eingeweiht gewesen sein – als Einziger in der Parteizentrale, so die bisherige SPÖ-Darstellung.

Der Mitarbeiter hatte Mitte August offiziell die Agenden von Silberstein übernommen, nachdem die SPÖ den Vertrag mit diesem wegen dessen vorübergehender Festnahme in Israel gelöst hatte. Informationen, über die "Profil" und "Presse" online berichten, sie aber nicht in Zitaten veröffentlichen, sollen aber belegen, dass der SPÖ-Mitarbeiter auch ab diesem Zeitpunkt weiteren Input geliefert und mit dem Betreiberteam der Facebook-Seiten Inhalte abgestimmt hat.

STANDARD-Innenpolitikressortleiter Michael Völker und Rainer Nowak von der Presse sind im ZIB-24-Studio zu Gast. Sie analysieren die Causa Silberstein und die möglichen Folgen für den Wahlkampf der SPÖ.
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Nur drei Viertel wegen Verhaftung

Laut "News"-Bericht stützt Silberstein die Version, dass die SPÖ-Spitze von all dem nichts gewusst habe. Das Magazin zitiert den Israeli mit einigen Sätzen, die im Kontext des Artikels so klingen, als seien sie nicht in einem direkten Gespräch gefallen, sondern indirekt übermittelt worden. "Der Kanzler hatte nicht einmal das entfernteste Wissen oder die entfernteste Information darüber", so Silberstein. "Es ist Teil einer Negativkampagne der Gegenseite, alles dem Kanzler und der SPÖ vorzuwerfen."

Die Kosten für Betrieb und Bewerbung der Facebook-Seiten soll Silberstein entgegen der kolportierten halben Million mit weniger als 100.000 Euro angegeben haben. Das Geld will der Berater von seinem offiziellen SPÖ-Honorar abgezwackt haben. Laut Informationen aus der Partei habe der Rahmenvertrag mit Silberstein 400.000 Euro umfasst, durch eine Überziehung im Wahlkampf seien aber gut 500.000 Euro zusammengekommen. Weil der Vertrag aber nach Silbersteins Verhaftung in Israel Mitte August gekündigt wurde, sollen nur drei Viertel davon bezahlt worden sein, heißt es.

"Unmoralisch und blöd"

"Es war nicht nur unmoralisch, sondern auch unglaublich blöd", quittiert Kern Silbersteins Aussagen: "Faktum ist, dass die Facebook-Seiten von uns nicht gewünscht waren." Er werde prüfen lassen, ob wegen der Verwendung des SPÖ-Honorars für das Dirty Campaigning Regressforderungen an Silberstein möglich sind. Im STANDARD-Interview bei einem Wahlkampftermin in der Obersteiermark sagte Kern, man wolle der Sache "mit großem Nachdruck nachgehen" und "wir werden das nicht auf uns sitzen lassen".

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Wie bereits am Montag angekündigt, leitet die SPÖ nun diverse juristische Schritte ein, um Facebook zur Nennung der Betreiber der Seiten zu zwingen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu erreichen. Die Partei geht dabei über die Kanzlei Freimüller/Obereder/Pilz auf mehreren Ebenen vor, wie Interimsbundesgeschäftsführer Christoph Matznetter erklärte. Zunächst will die SPÖ bei der Polizei eine Anzeige zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens einbringen, geprüft wird aber auch eine Klage wegen übler Nachrede. Dem Vernehmen nach hat übrigens auch die ÖVP, die beide Homepages seit langem beobachtet, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Justiz eingebracht.

Nicht veröffentlicht hat die SPÖ bisher aber den Silberstein-Vertrag. Erst müsse man genau überprüfen, ob es nicht noch einen geheimen Sideletter gebe, argumentiert man in der Partei.

"Starke Neigung zur Eigenmächtigkeit"

Als Getriebener mit Hang zur Grenzüberschreitung, sowohl in inhaltlicher als auch in organisatorischer Hinsicht: So ist Silberstein in der Parteizentrale der SPÖ in Erinnerung geblieben. "Er hat eine starke Neigung zur Eigenmächtigkeit, kennt keine Ordnung", sagt einer, der den Berater hautnah erlebt hat: "Und Freund der Samthandschuhe ist er keiner."

Der Insider, der dies dem STANDARD unter der Bedingung der Vertraulichkeit erzählt, hat an der roten Wahlkampagne direkt mitgearbeitet. Von den nun aufgeflogenen Dirty-Campaigning-Aktivitäten habe er nichts gewusst, verwundert sei er darüber aber auch nicht: "Das alles passt gut ins Bild."

Dass sich Silbersteins offizieller Auftrag im Wesentlichen auf die Interpretation von Meinungsforschungsdaten beschränkt habe, bestätigt der Informant. Doch tatsächlich sei die Position im Wahlkampfteam dominanter gewesen. Silberstein habe immer wieder versucht, die Linie vorzugeben – mitunter auch, indem er sich auf einen angeblichen Auftrag von oben berief. Vermutlich habe diese Rolle durchaus dem Wunsch des Kanzleramts entsprochen, so die Einschätzung: "Es ging darum, der Parteizentrale die Wadln nach vorn zu richten."

Tal Silberstein, der ehemalige Wahlkampfberater der SPÖ, hat in einem Interview ausgeschlossen, dass SPÖ-Chef Christian Kern von der Facebook-Affäre wusste. Dennoch sind in der Causa noch viele Fragen offen. Beitrag aus der ZiB2.
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Dass Silberstein einzelne Mitarbeiter für Aktionen wie die Facebook-Seiten geködert habe, indem er diesen einredete, es müsse alles "topsecret" sein, hält der Mann für denkbar: "Silberstein ist sehr gut darin, zu erreichen, dass Menschen das tun, was er will. Er kann da sehr reizend sein – aber auch brutal." (Gerald John, APA, Video: Katrin Burgstaller, 4.10.2017)