Bundeskanzler Christian Kern war am 13. Dezember 2016 im "Bürgerforum" bei Peter Resetarits.

Foto: ORF/Hans Leitner

Wien – Der jüngste Konflikt von SPÖ-Chef Christian Kern und der Tageszeitung "Österreich" ist nicht die erste Auseinandersetzung des Kanzlers mit einem Medium. Im Dezember 2016 hing etwa der Haussegen mit dem ORF besonders schief. Nach einem Eklat beim ORF-"Bürgerforum" setzte das Kanzleramt eine Reihe von Maßnahmen gegen den öffentlich-rechtlichen Sender.

Kern musste sich damals gemeinsam mit Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner von aufgebrachten Bürgern vor einem Millionenpublikum vorhalten lassen, dass die Regierung nur streite, nichts weiterbringe und das Land deshalb schlecht da stehe. Kerns und Mitterlehners Ärger über den Veranstalter ORF fanden danach Eingang in diverse Medienberichte. Der Kommunikationschef des Bundeskanzlers empfahl tags darauf in einem der APA vorliegenden Mail an das Kanzlerkabinett, das auch an den damaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein ging, unter dem Titel "Weiterer Umgang mit dem ORF nach Bürgerforum" eine schärfere Gangart gegen den öffentlich-rechtlichen Sender.

Maßnahmenkatalog

"Alle im Folgenden angeführten Schritte müssen mit der ÖVP klar abgesprochen und GEMEINSAM getragen werden – also auch von ÖVP-Playern entsprechend gemacht werden", so Kerns Kommunikationschef.

"1. Absage der Neujahrs-ZIB2-ITV von Kanzler und Vizekanzler. Und zwar ohne Ersatz zu nominieren.

2. Kein Besuch der Pressestunde

2.1. für HBK bedeutet das: Wir machen am 15.1. keine Pressestunde nach der New-Deal-Rede

2.2. Alternativ dazu: massiver Ausbau der Präsenz im Privat-TV

Für New Deal-Kommunikation bedeutet das: Wir erarbeiten mit Puls4 ein Format, in dem CK mit BürgerInnen über den New Deal spricht Defacto kein SeherInnen-Verlust, weil 100.000 Leute die Pressestunde sehen, das schaffen die in Puls4 auch.

3. Massive Intensivierung der Auftritte bei ATV, Puls4, Servus TV und oe24.tv

HBK besucht: Cafe Puls, Studiogast bei Nachrichten-Sendungen in ATV und Puls

Vorteil: all diese Sender sind relativ stark auch im Online-Bereich – Seher-Verlust ist also eher bei älteren Zielgruppen gegeben – bei Jüngeren weniger

4. ORF Radio sollten wir NICHT in diese Maßnahmen aufnehmen – teilen und herrschen wäre der Gedanke

5. entscheidend ist, dass wir das längerfristig durchhalten. Es bringt nichts, 2 Wochen rumzuzicken – Verhaltensänderungen produzieren wir nur durch Konsequenz. Damit ist aber auch klar: Neuwahlen sind erst möglich, wenn wir (wieder) ein geordnetes, vernünftiges Verhältnis mit dem ORF haben."

Das Neujahrs-Interview mit der "Zeit im Bild 2" sagte der Kanzler dann tatsächlich ab. Da niemand aus der SPÖ ins "ZiB"-Studio zu Armin Wolf wollte, trat dort der SPÖ-Kenner und Politologe Anton Pelinka auf. Auch die vermehrten Auftritte im Privat-TV gab es.

Puls4 dementiert gemeinsame Formatentwicklung

Puls4-Infochefin Corinna Milborn betont allerdings, dass es keine Besuche des Kanzlers bei "Café Puls" oder den Puls4-Nachrichtensendungen gegeben hätte. Zu einem "Pro und Contra Spezial" nach Kerns wirtschaftspolitischer Rede hätte der Sender den SPÖ-Chef selbst eingeladen – inklusive kritischer Gegenüber. "Niemand hat je versucht, mit uns eine Sendung zu entwickeln", sagt Milborn zum STANDARD, "und das hätten wir natürlich auch nicht gemacht".

Bis zur "Pressestunde" am 15. Jänner dürfte der Haussegen zwischen SPÖ und ORF wieder einigermaßen gerade gebogen worden sein. Dort trat Kern dann nämlich entgegen der zunächst angedachten Pläne doch auf. Die ÖVP beteiligte sich übrigens nicht an den Boykottmaßnahmen. Der damalige Parteichef Mitterlehner absolvierte sein Neujahrs-Interview in der "ZiB 2". (APA, red, 5.10.2017)