"Die Themen sind trotz Länderunterschieden meistens ähnlich", sagt Maria von Känel. Die Gesetzeslage, ob und wie Lesben Familien gründen dürfen, gehört zu diesen Themen.

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Maria von Känel: "Österreich ist teilweise fortschrittlicher als andere Länder, trotzdem konnte die Ehe für alle noch nicht durchgesetzt werden."

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Die OrganisatorInnen der European Lesbian* Conference.

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Von Freitag bis Sonntag fand die erste europäische Lesbenkonferenz in Wien statt. "Connect, Reflect, Act, Transform" lautet das Motto. Maria von Känel ist eine der Initiatorinnen und erklärt, was dabei gefordert wird – und warum gesetzliche Gleichstellung nicht reicht.

STANDARD: Drei Tage lang werden verschiedene Orte in der Wiener Innenstadt Teil der European Lesbian* Conference sein. Was erwarten Sie sich als Initiatorin davon?

Von Känel: Unser Ziel ist es, eine zukünftige Gemeinschaft aufzubauen, die Lesben- und Frauenanliegen aufarbeitet und damit politisch relevant macht. Mit der Veranstaltung bieten wir einen geschützten Raum, in dem sich Frauen länderübergreifend kennenlernen, austauschen und unterstützen können. Wir haben festgestellt, dass die Themen trotz Länderunterschieden meistens sehr ähnlich sind. Das Kernthema ist nach wie vor die gesetzliche Gleichstellung – aber eben nicht nur: Es geht vor allem auch um soziale Akzeptanz und Chancengleichheit.

STANDARD: Inwiefern ist Wien ein geeigneter Ort für diesen Event?

Von Känel: Die Entscheidungsgrundlage war, ein Land im Zentrum Europas zu finden, das gut erreichbar ist und die Strukturen innerhalb einer solchen Konferenz bewältigen kann. Wien hat eine bestehende LGBTI-Community (Lesbisch, Schwul, Bi*, Trans* und Intergeschlechtlich, Anm.) die auch eine gewisse soziale Akzeptanz erfährt. Das war ein wichtiges Kriterium.

STANDARD: Wie stufen Sie Österreich im Hinblick auf den Umgang mit Homosexualität, speziell mit Lesben, ein?

Von Känel: Österreich ist beim Thema gesetzliche Gleichstellung zwar teilweise fortschrittlicher als andere Länder, trotzdem konnte die "Ehe für alle" noch nicht durchgesetzt werden. Es gibt also auch hier noch Handlungsbedarf in Bezug auf eine Antidiskriminierung in bestehenden Strukturen.

STANDARD: Die auseinanderklaffende Schere zwischen Frauen- und Männergehältern ist hierzulande nach wie vor ein großes Thema. Erfahren lesbische Frauen hier eine zweifache Belastung?

Von Känel: Ja. Bei Themen wie Lohngleichheit sind Frauen noch immer benachteiligt, das allein ist schon eine Herausforderung. Sind sie dann auch noch lesbisch, erfahren sie oft eine zusätzliche Diskriminierung.

STANDARD: Seit Jänner 2011 gibt es in Österreich die eingetragene Partnerschaft für Lesben und Schwule, in Deutschland seit kurzem die "Ehe für alle" – wo gibt es noch Handlungsbedarf?

Von Känel: Ein wichtiger Meilenstein ist, die lesbische Marginalisierung und Diskriminierung sichtbar zu machen und für die Akzeptanz lesbischer Lebensformen einzutreten. Lesben sind eine Minderheit und auch weniger sichtbar als schwule Männer. Ein Grund dafür sind meiner Meinung nach die typischen Geschlechterrollen, die noch sehr präsent sind. Dem männlichen Geschlecht wird von Anfang an mehr Verantwortung zugesprochen, sie werden ernst genommen. Frauen müssen erst anerkennen, dass sie sich auch organisieren und stärker unterstützen dürfen. Sie müssen sich besser vernetzen. Spannend finde ich Länder, die Aktionspläne für lesbische Frauen aufgestellt haben, um diese gezielt zu fördern.

STANDARD: In welchem Land Europas sehen Sie noch den größten Gleichstellungsbedarf zwischen hetero- und homosexuellen Menschen?

Von Känel: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich persönlich glaube, dass wir die Chancengleichheit noch in keinem Land erreicht haben. Zwar arbeiten nordische Länder schon länger daran – Studien zeigen aber, dass sich auch in diesen Ländern manche Frauen noch nicht trauen, öffentlich zu ihrer Homosexualität zu stehen. Es müssen auch die Lebensqualität und damit verbunden die Möglichkeiten für Frauen in der jeweiligen Gesellschaft berücksichtigt werden. Daran dürfen wir alle noch arbeiten.

STANDARD: Wie könnte man sich ob der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für Lesben – etwa in Bezug auf reproduktive Rechte – innerhalb Europas solidarisieren?

Von Känel: Sich individuell zu solidarisieren ist meiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg. Es gibt keine universellen Lösungen. Jedes Land hat sein politisches System, seine Historie und verschiedene Ressourcen, die zu diesem Zweck genutzt werden können. All diese Puzzleteile können sehr unterschiedlich sein – es braucht Menschen, die damit arbeiten und ihre Anliegen formulieren können. Das ist der erste Schritt, den wir mit der Konferenz gehen wollen. Es geht darum, ein kollektives Bewusstsein für die einzelnen Themen zu schaffen und am Status quo anzuknüpfen.

STANDARD: Außerhalb Europas gibt es noch zahlreiche Länder mit massiven Repressionen gegenüber Lesben und Schwulen. Wird das auch Thema der Konferenz sein?

Von Känel: Es wird eine Podiumsdiskussion geben, die asiatische Länder thematisieren wird. In solchen Ländern ist es gesetzlich noch viel schwieriger, deshalb brauchen Menschen dort einen geschützten Raum, um sich auszutauschen, zu solidarisieren – und vor allem auch zu informieren. Sehr viele Vorurteile über lesbische Frauen sind tief verwurzelt. Von dieser negativen Konnotation muss man sich befreien. Das kann natürlich nicht von heute auf morgen passieren. Auch in Österreich entwickelte sich eine solidarische LGBTI-Community erst nachdem einzelne Menschen so mutig waren, öffentlich zu ihrer Orientierung zu stehen.

STANDARD: Wie wollen Sie die Themen nach der Veranstaltung nach außen tragen?

Von Känel: Das ist die Grundfrage der Konferenz – darüber müssen wir reden. Es werden 400 Frauen aus 44 europäischen und zentralasiatischen Ländern teilnehmen. Ich bin überzeugt, dass das einen wahnsinnigen Impact auf das Verständnis der Gleichstellung haben kann. Ein wichtiger Schritt wird sein, ein gemeinsames Fundament zu schaffen, indem konkrete Anliegen zusammengefasst werden. Daran wollen wir in den kommenden Tagen arbeiten. (Nina Horcher, 6.10.2017)