Es gibt viel zu entdecken in der Galerie Halgand: Ethan Hayes-Chutes Arbeiten laden mit liebevoll-witzigen Details zum genauen Hinsehen ein, so etwa "Structural Slab" (2014).

Foto: Galerie Nathalie Halgand

Dämmriges Halbdunkel liegt über den ersten beiden Räumen der Altbauwohnung am Naschmarkt, in der sich die Galerie Nathalie Halgand befindet. Kleine Lämpchen erhellen die Räume wunderkammergleich – sie sind Teil installativer Arbeiten des amerikanischen Künstlers Ethan Hayes-Chute und tauchen seine roh gezimmerten Versatzstücke von Werkstattwänden in warmes Licht. Diese sind überzogen von einer Schicht Krimskrams: einer angestaubten Melange aus Andenken, Büchern, Zeitschriftenausrissen, Werkzeugen, einsamen Spielfiguren, einer halb leeren Flasche Whiskey. Hier quillt eine verworrene Lichterkette aus einem vergilbten Pappkarton, dort verkündet ein angepinnter Zettel "Welcome Home".

Um das Zuhause geht es dem Schweizer Kurator Samuel Leuenberger in der Gruppenausstellung Home is so fucking complicated, die im Rahmen von Curated by in der Galerie Halgand gezeigt wird. Dieses "home" steht aber nicht nur für das traute Heim, es meint auch die Heimat als Zufluchtsort, in dem man Schutz suchen kann oder aus dem man ausbrechen möchte.

21 Arbeiten von vier Künstlern verteilte der Kurator gleichmäßig über die Galerieräume, die durch die Lichtregie – von dunkel zu hell – in zwei Bereiche geteilt sind. So entsteht ein feinmaschiges Netz der verschiedenen Nuancen von "Daheimsein". Die Erzählstränge der Arbeiten greifen ineinander, berichten von Verwurzelung, Hoffnung, Verlust, Identität und der Schwierigkeit, Geschichte zu bewahren.

Flut von Krimskrams

Hayes-Chutes handgezimmerte Collagen – die mal mannshoch, mal nur handtellergroß sind – zeigen beide Seiten einer Medaille: Sie wirken zwar wie aus dem Familienschuppen gesägt, der all jene Überbleibsel vergangener Jahre voller Leben auffängt, die woanders keinen Platz finden; wo man am Wochenende werkelt oder Marmeladengläser lagert.

Aber durch die Zeichen des Zahns der Zeit, der hier alles angenagt hat, erzählen sie auch von einer trostlosen Vernachlässigung: Die Dinge bleiben liegen, wo sie einmal gelandet sind, Neues stapelt sich darüber. Man fühlt sich erinnert an Jonathan Franzens Roman Die Korrekturen, in dem das pensionierte Ehepaar Lambert hilflos und dement in der materiellen Flut des Familienheims zu ertrinken droht, der vollgerümpelte Hobbyraum wird dort zu einem Wartezimmer des Alters.

Das Ineinsfallen von Tod und Zuhause – in Form von Begräbnisstätten – beschäftigt die chilenische Künstlerin Pilar Quinteros. Ihre Videoarbeit Cementerio Indio (2015) ist Hayes-Chutes raumfüllendem Buildup (2012) zur Seite gestellt.

Quinteros dokumentiert darin eine Recherche: Beim U-Bahn-Bau in Santiago machte man einen bedeutsamen Fund, stieß auf einen Friedhof der indigenen Llolleo-Kultur mit etlichen Skeletten und Vasen. Der Fund wurde jedoch kaum öffentlich gemacht, sondern durch eine hohe Wand abgeschirmt – wohl um doch noch die geplanten U-Bahn-Lüftungsschächte zu bauen. Quinteros stellte kurzerhand einen Infostand auf, um mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen.

Dabei thematisiert sie die Bewahrung und Ausstellung solcher Funde, fragt aber auch nach Verschiebungen in der Bedeutung von Orten: "Wie viel Zeit muss vergehen, bis man Begräbnisstätten wieder zum Leben benutzt?" (Kathrin Heinrich, Album, 7.10.2017)