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Die Nachfrage nach Schweißern ist groß. Die Industrie wünscht sich, in derartigen Mangelberufen mehr Fachkräfte aus Ländern außerhalb der EU anstellen zu dürfen.

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Wien – Es tut sich was am österreichischen Arbeitsmarkt. Doch mit dem Rückgang der Jobsuchenden wachsen in der Industrie andere Sorgen: Die gute Auftragslage wird zusehends durch den Fachkräftemangel getrübt. In den letzten Jahren war das Thema zwar auch schon virulent, aber wegen der Schwäche am Arbeitsmarkt und der starken Zuwanderung überschaubar. Das dürfte sich jetzt ändern – nicht nur, weil die Nachfrage nach Facharbeitern so groß ist.

Verschärft wird die Situation durch eine eigentlich erfreuliche Entwicklung. In Osteuropa legen Produktion und Löhne zu. Das steigende Jobangebot bei höherem Einkommen verringert den Anreiz, ins Ausland zu gehen. Der Aufschwung in den neuen EU-Mitgliedsstaaten, so Gewerkschafter Karl Dürtscher, werde dazu führen, dass "keine Fachkräfte mehr aus Osteuropa nach Österreich kommen" werden. Auch wenn das Ausmaß der Entwicklung schwer vorherzusehen ist, teilen andere Experten Dürtschers Einschätzung grundsätzlich.

Erhebliche Konsequenzen

"Das ist eine Prognose, die ich teile", erklärt dazu Johannes Kopf. Der Chef des Arbeitsmarktservice verweist darauf, dass neben Deutschland auch in Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien die Arbeitslosenrate unter jener Österreichs liege. Für Kopf ist klar: Kann das Land den steigenden Bedarf an Fachkräften nicht anderweitig decken, wird das Wachstum nicht nur gebremst. "Ob man qualifizierte Leute findet, wird für viele Unternehmen zur Existenzfrage."

Ein Fernbleiben von Osteuropäern hätte nicht nur für die Gastronomie und andere Dienstleistungen wie Pflege erhebliche Konsequenzen, sondern auch für die Industrie. Insgesamt sind in der Produktion und auf dem Bau gut 60.000 Osteuropäer tätig. Deren Qualifikation ist zwar statistisch nicht erfasst, aus einer schon etwas älteren Studie des Integrationsfonds aus dem Jahr 2014 geht aber hervor, dass Zuwanderer aus EU-Staaten im Durchschnitt einen höheren Ausbildungsgrad aufweisen als Österreicher. Kopf bestätigt das und spricht von einem "Brain-Gain" für das Land. "Viele Stellen hätten in Österreich ohne Fachkräfte aus Osteuropa nicht besetzt werden können."

Wie stark die Migration den heimischen Arbeitsmarkt prägt, zeigen jüngste Daten des AMS. Per August waren 300.000 Personen aus den neuen Mitgliedsstaaten in Österreich beschäftigt, ein Jahr zuvor waren es noch 272.000. Den größten Andrang gibt es aus Rumänien, von wo mit 52.000 Personen bereits die zweitgrößte Gruppe am heimischen Arbeitsmarkt stammt. Weiterhin klare Nummer eins unter den Herkunftsländern aus Osteuropa ist Ungarn, von wo gut 90.000 Personen einen Job in Österreich aufnahmen.

Suche in Drittstaaten

Auch wenn es somit noch kein Indiz für eine gröbere Abflachung der Zuwanderung gibt, sucht die Industrie nach Alternativen. Schon im Vorjahr hat eine Umfrage der Industriellenvereinigung ergeben, dass acht von zehn Leitbetrieben Recruitingprobleme haben. Helwig Aubauer, Bereichsleiter für Soziales, spricht sich für eine "Weiterentwicklung" der Rot-Weiß-Rot-Karte aus. Über diese Schiene können Schlüsselkräfte auch aus Drittstaaten nach Österreich kommen. Derzeit dürfen Fachkräfte aus dem Ausland in elf Berufsgruppen engagiert werden, Fräser, Dreher und Starkstromtechniker befinden sich darunter. Allerdings: Das AMS hat 60 Qualifikationen als Mangelberufe definiert. Aubauer sagt, dass beispielsweise Schweißer und Schlosser auf die Liste gehörten. Das Sozialministerium stelle in seiner Verordnung zu stark auf österreichweite Mängel ab und berücksichtige den regionalen Bedarf zu wenig.

Gewerkschafter Dürtscher verfolgt einen anderen Ansatz: Die Betriebe sollen besser ausbilden und mehr zahlen, sagt er. Bessere Bezahlung und mehr Engagement in der Ausbildung – insbesondere bei Lehrlingen – sind aus Sicht der Arbeitnehmervertretung das Gebot der Stunde. Kopf verweist darauf, dass wieder mehr Junge eine Lehre beginnen. Und Aubauer ergänzt, dass in der Industrie ohnehin gut entlohnt werde. (Andreas Schnauder, 7.10.2017)