Lowlights aus dem Wahlkampf 2017.

screenshots: DER STANDARD

"Während wir eigentlich in einem Rechtsstaat und in einer Demokratie leben, tobt im Internet teilweise der Wilde Westen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir die Zivilcourage stärken. Denn die Spielregeln müssen eingehalten werden, egal ob in der virtuellen oder realen Welt", schrieb Staatssekretärin Muna Duzdar unlängst in einer Aussendung, um einen Lehrgang gegen Hass im Netz zu bewerben. Rückfragehinweis: Bundeskanzleramt.

Welch eine Chuzpe. Einerseits versaut die SPÖ das Netz mit Dreckskampagnen von Silberstein und Co, andererseits will sie Maßnahmen gegen Cybermobbing entwickeln. Der Lehrgang in Ehren, aber bevor man Bürger zu "Multiplikatoren für Zivilcourage" machen will, sollten alle Parteien inklusive der auf Antisemitismus im Netz spezialisierten FPÖ zunächst einmal vor der eigenen Türe kehren. Etwa in ihren Parteiakademien. Hier werden seit Jahren Mitarbeiter trainiert, um den Gegner möglichst verdeckt anzugreifen. Das war früher vergleichsweise harmlos: 2005 gab es eine Anleitung für "unsachliche und untergriffige Postings". Urheber: Peter Puller, damals noch für die steirische ÖVP tätig und von Reinhold Lopatka, einem der Urväter des Dirty Campaignings in Österreich, als "übereifriger Mitarbeiter" tituliert.

Was damals plump und relativ leicht aufzudecken war, läuft heute viel versteckter. Danke, Mark Zuckerberg. Facebook erlaubt Methoden, die nur noch schwer bis gar nicht nachzuverfolgen sind. Ein Traum für Leute wie Puller oder Rudolf Fußi, die sich über die Jahre immer weitergebildet, für verschiedenste Auftraggeber aller Parteien gearbeitet haben und ihren Marktwert immer mehr steigern konnten. Die Summen, die im Moment genannt werden, sprechen Bände.

Doch was tun? Untersuchungsausschuss und Wahlanfechtung? Letzteres hat Silberstein-Auftraggeber SPÖ hoffentlich nicht ernst gemeint. Man sollte sich vielmehr endlich Gedanken darüber machen, wie in Zukunft ein sauberer Umgang der Politik mit Social Media erreicht werden könnte. Druck auf Facebook und Twitter auszuüben, Methoden und Algorithmen offenzulegen, ist ein hehrer Ansatz. Aber: Die Plattformen sind nur das Werkzeug. Genutzt werden sie von den Parteien und deren Handlangern. Das einzig wirkungsvolle Mittel wäre Transparenz und Kontrolle. Alle Parteien müssten gedrängt werden offenzulegen, welche Mittel, welche Berater und welche Methoden sie online einsetzen und was sie mit den gesammelten Daten machen. Es ist absurd, dass die Politik immer stärkere Überwachung der Bürger im Netz fordert, selbst aber massiv tarnt und täuscht.

Früher gab es Wahlkampf-Schiedsgerichte wegen Manner-Schnitten und Zuckerlverteilung. Dadurch wurde gewiss keine Wahl entschieden. Mit Microtargeting oder Dark Ads kann man heute aber Wahlen durch unlautere Methoden gezielt steuern. Hier geht es nicht um die Verschiebung einzelner Stimmen, sondern um die Gefährdung der Demokratie durch Manipulation. Rückfragehinweis: Donald Trump.

Ein Internetschiedsgericht parteiunabhängiger Experten könnte das Vorgehen der Politik kontrollieren. Sebastian Kurz will nun einen Straftatbestand für Dirty Campaigning, auch Christian Kern lehnt dreckige Methoden ab. Transparenz garantiert mehr Sauberkeit – schon vor möglichen Strafen. Wer neuen Stil predigt, sollte ihn auch leben. On- und offline. (Rainer Schüller, 8.10.2017)