Angela Merkel und Horst Seehofer, Unionschefs.

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Berlin – Die deutschen Unionsparteien CDU und CSU haben mit einem Kompromiss im Streit über die Flüchtlingsobergrenze eine entscheidende Weiche zu einem Jamaika-Bündnis gestellt. Ob der Kompromiss die Regierungsbildung mit FDP und Grünen leichter machen wird, bleibt aber offen. Die Grünen zeigten sich nämlich skeptisch.

Für Montagmittag haben CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer eine Pressekonferenz angekündigt, bei der sie vermutlich ein erstes Gesprächsangebot an FDP und Grüne richten werden.

Altmaier: "Großer Schritt"

Die Unionsparteien hatten sich am Sonntagabend auf das Ziel verständigt, maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. Der Kompromiss beinhaltet aber eine Ausnahme für Sondersituationen. Sollte die Begrenzung wegen internationaler oder nationaler Entwicklungen nicht eingehalten werden, sollen Regierung und Bundestag "Anpassungen nach oben oder unten" beschließen. Die Zuwanderung von Arbeitskräften und EU-Ausländern ist von der Obergrenze nicht betroffen.

"Sie sehen mich zufrieden, weil wir einen großen Schritt weitergekommen sind", sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). "Guter Tag für die Union und guter Tag für Deutschland", meinte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte sich "sehr zufrieden".

Mehr Maßnahmen zur Grenzsicherung

CDU und CSU einigten sich auf konkrete Maßnahmen, um diese Grenze zu sichern. Genannt werden Fluchtursachenbekämpfung, Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens, der Schutz der EU-Außengrenzen, die EU-weite gemeinsame Durchführung von Asylverfahren an den Außengrenzen sowie gemeinsame Rückführungen von dort sowie die Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (Geas) und des Dublin-Systems.

Mit der Zahl 200.000 hat CSU-Chef Seehofer zumindest einen gesichtswahrenden Kompromiss erreicht. Er hatte in den vergangenen Jahren gegen Merkels strikten Widerstand auf einer Flüchtlingsobergrenze in dieser Größenordnung bestanden. Auch die Grünen sind gegen eine Obergrenze.

Kritik von den Grünen

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte die nun erzielte Einigung: Diese atme "den Geist eines Formelkompromisses, über den beide wissen, dass er nicht länger halten muss als bis zum ersten Gespräch mit FDP und Grünen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Die "eintägige Krisensitzung" am Sonntag habe gezeigt, dass die Einheit der Schwesterparteien vor der Bundestagswahl nur eine Inszenierung gewesen sei. Immerhin hätten sie damit einen ersten Schritt getan, um verhandlungsfähig zu werden.

Grünen-Chefin Simone Peter betonte, dass der Kompromiss "noch lange nicht das Ergebnis der Jamaika-Sondierung" sei. Sie kritisierte auch die geplante Ausweitung der sicheren Herkunfsländer, Ausreisezentren sowie Abkommen nach dem Vorbild jenes zwischen der Türkei und der EU: "An Entrechtungsprogrammen werden wir Grüne uns nicht beteiligen."

Die Union war bei der Wahl am 24. September zwar stärkste Kraft geworden, hatte aber mit 32,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 erzielt. Merkel will mit FDP und Grünen verhandeln, weil die SPD in die Opposition gehen will. (APA, 8.10.2017)