Drei Millionen geschädigte Anleger, die um insgesamt 50 Milliarden Euro geprellt wurden – vor rund neun Jahren flog das Schneeballsystem von US-Anlagebetrüger Bernard "Bernie" Madoff auf, er wurde zu einer 150-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Für die österreichische Justiz ist der Fall allerdings noch nicht abgeschlossen. Kurioserweise haben heimische Gerichte unterschiedliche Auffassungen von identischen Fällen.
So musste die Bank Austria, die Madoff-Fondsanteile verkauft hatte, einem Anleger seinen Schaden ersetzen. Anders erging es jedoch seiner Mutter. Obwohl sie dieselben Fonds gekauft hatte, bekommt sie ihr Geld nicht zurück. Beide Entscheidungen sind vom Obersten Gerichtshof (OGH) bestätigt und nicht mehr anfechtbar.
Anderer Senat, anderes Urteil
"Die Mühlen der Justiz mahlen langsam", lautet ein beliebtes Sprichwort. Im Fall des gebürtigen Vorarlbergers Robert Wehinger und seiner Mutter mahlen sie aber auch unverständlich. Die beiden hatten an demselben Tag mit demselben Finanzberater dieselben Anteile der Primeo-Select-Fonds gekauft. Diese Fonds wurden von der Bank Austria vertrieben und teilweise gegründet. Der OGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) bestätigt, dass die Bank Austria Wehinger sein Geld zurückzahlen muss. Ein anderer Senat entschied gegen seine Mutter, die somit 100.000 Euro nicht bekommt.
"Wir haben den Fonds als sichere Anlage eingestuft – als Produkt mit sehr niedrigem Risiko, das besser als ein Sparbuch performt", sagte Wehinger im Ö1-"Morgenjournal" am Montag. Heute ist bekannt, dass Madoff die Kursentwicklung seiner Fonds gefälscht hatte. Das angelegte Geld entnahm er für private Zwecke oder um Anlegern Geld auszuzahlen, wenn diese ihre Anteile wieder verkaufen wollten.
Verwahrer und Verwalter zugleich
Möglich war dieses Konstrukt, weil Madoff das Geld sowohl verwahrt als auch verwaltet hat und zusätzlich als Broker agierte. Die Bank Austria habe die Anleger nicht ausreichend über dieses Risiko aufgeklärt: So argumentierte das OLG als Berufungsgericht die Entscheidung zugunsten von Wehinger.
"In beiden Fällen handelte es sich um typische Einzelfallentscheidungen, und der OGH hatte nur zu klären, ob die Entscheidungen der Berufungsgerichte vertretbar sind oder nicht. Der OGH ist zum Ergebnis gekommen, dass in beiden Fällen die Entscheidungen der Berufungsgerichte vertretbar sind", erläutert OGH-Sprecher Christoph Bremm.
Schwester versucht es auch
Vergangene Woche hat das Verfahren von Wehingers Schwester begonnen, in erster Instanz und ebenfalls dieselben Fonds betreffend. Der Ausgang ist klarerweise ungewiss, ihre Chancen stehen laut Brenn aber mäßig. Außer Wehinger hat in der Causa Primeo-Fonds noch nie ein Anleger gegen die Bank Austria vor dem OGH gewonnen.
Erst wenn ein zweiter Anleger vom OLG Recht bekommt, würde der OGH einen großen Elf-Richter-Senat zusammenstellen, um hier eine eindeutige Rechtslage zu schaffen. Die Bank Austria wollte nicht Stellung nehmen. (and, 9.10.2017)