Prostatakrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankung bei Männern. Früh erkannt, ist die Erkrankung heilbar, regelmäßige Checks deshalb empfehlenswert.

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"Wer den PSA-Test überlegt zu machen, sollte sich genau erklären lassen, was die Ergebnisse bedeuten können und welche Konsequenzen es haben kann", sagt Urologe Wolfgang Horninger.

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STANDARD: Warum hat Tirol Ende der 1980er-Jahre nicht an der europäischen Prostatastudie teilgenommen, sondern ein eigenes Screening-Programm gestartet?

Horninger: Die europäische Studie war eine randomisierte Studie mit zwei Gruppen. Die eine machte den Test, die andere nicht. Per Zufall wurde bestimmt, ob ein Teilnehmer der einen oder der anderen Gruppe zugeteilt wurde. Nur mit so einer Studie kann man zu guten wissenschaftlichen Erkenntnissen kommen. Der damalige Chefurologe in Innsbruck Georg Bartsch wollte den PSA-Test aber für alle Männer.

STANDARD: Aber es war doch noch nicht klar, ob der Test etwas bringt.

Horninger: Bartsch war vom PSA-Test überzeugt. In den 1980er-Jahren war die Situation für Männer mit Prostatakrebs frustrierend. Für die Diagnose hatten Urologen nur den Bluttest auf saure Prostataphosphatase, der quasi aussagelos war, und die rektale Untersuchung. Wir diagnostizierten deshalb die meisten Prostatakarzinome erst, wenn sie sehr groß waren, also dann, wenn sie unheilbar waren. Vier von zehn Männern hatten bei der Diagnose schon Metastasen, meist in der Wirbelsäule.

STANDARD: Den Krebs kann man aber doch entfernen oder mit Strahlentherapie behandeln.

Horninger: Die Entfernung der Prostata samt Karzinom war damals noch eine sehr riskante Operation. Manchmal verbluteten die Patienten während der Operation oder kurz danach. Fast jeder Mann wurde impotent und häufig inkontinent. Deshalb haben die Kollegen den Eingriff selten durchgeführt. Auch die damaligen strahlentherapeutischen Methoden waren zu ungenau und verursachten starke Nebenwirkungen.

STANDARD: Wie wurden Männer mit Prostatakrebs damals behandelt?

Horninger: Die Hormonproduktion wurde unterdrückt, wodurch hormonabhängige Tumoren langsamer wuchsen. Heute wissen wir, dass man den Krebs dadurch nicht heilen kann. Die Patienten starben.

STANDARD: 1980 wurde in den USA der PSA-Test entwickelt. Änderte er die Prognose?

Horninger: Zunächst wussten wir nur, dass man damit den Krebs früher erkennen konnte. Aber es gab noch keine bessere Therapie. Das änderte sich, als Pat Walsh aus Baltimore die operative Technik der Prostataentfernung weiterentwickelte. Die Operation ist heute ein Routineeingriff. Es treten viel weniger Komplikationen auf. Für Bartsch war klar: Mit dem PSA-Test kann man den Krebs in einem frühen, heilbaren Stadium erkennen und mit der neuen OP-Technik dauerhaft heilen. Deshalb wollte er unbedingt das Tiroler PSA-Screening.

STANDARD: Hatte es Erfolg?

Horninger: Ja. Tiroler Männer mit Prostatakrebs bekamen seltener Metastasen, und es starben weniger an ihrem Tumor als im restlichen Österreich. Im Jahr 2015 waren es in Tirol pro 100.000 Einwohner 10,7, im Burgenland dagegen 17,3 Männer.

STANDARD: Befürworten Sie ein generelles PSA-Screening?

Horninger: Nein, man muss das individuell entscheiden. Wer den Test überlegt zu machen, sollte sich vom Urologen genau erklären lassen, was die Ergebnisse bedeuten können und welche Konsequenzen es haben kann. (Felicitas Witte, 11.10.2017)