Heute ist ein guter Tag für Christof Schramm. Nachdem es die letzten Tage geregnet hat, kommt nun die Sonne zurück. Ist der Boden wieder halbwegs trocken, kann er mit der Kartoffelernte weitermachen. "Im Moment ist die Erde zu matschig. Es ist fast unmöglich, die Kartoffeln aus der Erde zu sieben", sagt Schramm. Der Landwirt baut im Weinviertel seit einigen Jahren Erdäpfelraritäten an. Reich werde er damit nicht, wie er sagt. Das muss er auch nicht. Schließlich lebt er hauptsächlich vom Anbau von Sojabohnen, Zuckerrüben und Weizen.

Die bunten Erdäpfel, die für viele auf den ersten Blick exotisch wirken, sind nur ein Hobby für den Landwirt. "Ich war auf einer Rundreise in Skandinavien und habe gesehen, wie viele unterschiedliche Kartoffelsorten es gibt. Also habe ich begonnen, über verschiedene Netzwerke immer wieder neue Erdäpfelsorten zu sammeln und anzubauen."

Red King Edward: Die roten Knollen haben ein cremiges Fleisch und sind für Gratins ebenso geeignet wie für Knödel und Ofenkartoffeln.
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Mittlerweile verkauft Schramm über seinen Online-Shop und den angeschlossenen Hofladen 40 unterschiedliche Raritätensorten. Damit deckt er fast alle hierzulande zugelassenen Sorten ab. Laut Bundesamt für Ernährungssicherheit umfasst die österreichische Sortenliste im Moment 48 Kartoffelsorten. Im EU-Vergleich ist das immer noch wenig, sind doch europaweit rund 1.700 Sorten zugelassen.

Sortenvielfalt

Doch was kocht man aus derlei unbekannten Erdäpfeln wie der Blauen Elise? Die Sorte, die ursprünglich aus der Region Loire stammt, sieht ganz anders aus als das, was man normalerweise in der Gemüseabteilung des Supermarkts findet. Sie ist länglich, hat eine glatte Schale, und ihr Fleisch ist dunkelviolett. Diese Sorte, der man aufgrund ihres hohen Anthocyangehalts auch eine gesundheitsfördernde Wirkung nachsagt, eignet sich als Beilagenkartoffel oder kann zu Püree verarbeitet werden. Der Blaue Neuseeländer hingegen ist etwas milder im Geschmack und bestens für Kartoffelchips geeignet.

"Es gibt Kunden, die keinen Unterschied zu normalen Kartoffeln schmecken. Wahrscheinlich, weil sie es verlernt oder gar nie gelernt haben", sagt Schramm. Vor allem Spitzenköche sind immer wieder interessiert an alten und neuen Kartoffelraritäten.

Blauer Neuseeländer: Die Sorte mit der langen ovalen Knollenform und dem dunkelblauen Fleisch eignet sich für Salate und Chips.
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Schramm beliefert einige Restaurants mit seinen bunten Knollen. In der klassischen Küche geht man aber lieber auf Nummer sicher, sind die seltenen Sorten doch oft unberechenbar. "Raritätenkartoffeln sind toll, für unsere Art der Küche brauchen wir aber richtig mehlige oder speckige Erdäpfel. Bei unbekannten Sorten kann man das Ergebnis schwer einschätzen, und sie eignen sich nicht für Knödel, Mohnnudeln oder andere österreichische Klassiker", sagt Christoph Wagner vom Restaurant Gut Oberstockstall in Kirchberg am Wagram.

Im Restaurant Mesnerhaus in Mauterndorf ist ein ganz besonderer Erdäpfel der Star auf dem Teller: Der Lungauer Eachtling mit seinem kräftigen Aroma ist fixer Bestandteil von Josef Steffners Küche. Der Spitzenkoch serviert ihn gestampft mit Sauerrahm und confiertem Ei sowie einem Löffel Kaviar von Walter Grüll.

Jenen Eachtling hat, neben anderen Raritäten, auch "Ja! Natürlich" im Sortiment. Es handle sich zwar um ein Nischenprodukt, die Nachfrage sei aber da. "Gerne hätten wir mehrere Raritäten in unser Sortiment aufgenommen – aufgrund der heurigen Witterung war dies jedoch leider nicht möglich", sagt Paul Pöttschacher von Rewe. Von einer der bekanntesten Sorten, der festkochenden Ditta, dürfte es aber genug im Supermarkt geben. Die relativ pflegeleichte und gegen den Befall von Kartoffelfäule resistente Sorte findet man hierzulande nahezu in jeder Gemüseabteilung.

Black Princess: Die festkochende Sorte mit violetter Schale und dem hellen Fruchtfleisch schmeckt leicht nussig. Passt zu Wildgerichten.
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Neben der Sorte tragen aber noch andere Faktoren zum Geschmack der Kartoffel bei, weiß Josef Ackerl von der Bio-Vermarktungsgemeinschaft Pur in Niederösterreich. "Relevant für den Verzehrwert ist die Intensität der Produktion. Produziert man Kartoffeln in einem Bewässerungsgebiet mit sehr viel Stickstoffdünger und Einsatz von Pestiziden, bekommt man bis zu 70 Tonnen Kartoffeln pro Hektar heraus. Diese schmecken, unabhängig von ihrer Sorte, aber nach nichts. Es geht immer auch um die Produktionsmethode", sagt Ackerl.

Terroir

Und wie beim Wein spielt auch bei den Erdäpfeln das Terroir eine wesentliche Rolle. Der Geschmack definiert sich stark über die Böden und die Region. "Das Waldviertel ist eine gute Gegend für Salatkartoffeln. Das rauere Klima und die kalkhaltigen Böden sorgen dafür, dass der Stärkegehalt in den Knollen nicht so hoch ist. Dadurch bleiben die speckigen Erdäpfel sehr fest. Das Weinviertel mit seinen Lössböden eignet sich für mehlige Kartoffeln, die klassischen Beilagenkartoffeln mit höherem Stärkegehalt", ergänzt Ackerl.

Christof Schramm weiß seine Raritätenerdäpfel auch für andere Zwecke zu nutzen. Gemeinsam mit Brenner Josef Farthofer produziert er einen eigenen Wodka. Und obwohl der Biobauer heuer im Vergleich zum Vorjahr aufgrund des Frosts und des heißen Sommers nur rund die Hälfte der Ernte einfahren wird, will er es im nächsten Jahr wieder mit neuen Sorten probieren. Vielleicht wird die Kartoffelküche dann noch bunter. (Alex Stranig, RONDO, 14.10.2017)

Terrenta: Die aus Teneriffa stammende und lange lagerfähige Kartoffelsorte schmeckt köstlich gekocht mit Salz (Papas Arrugadas).
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