Siphusauctum lloydguntheri ist der erst zweite Vertreter einer verschwundenen Tiergattung.

Foto: Julien Kimmig, KU News Service

Lawrence – "Es ist faszinierend zu sehen, wie die Evolution abläuft", sagt Julien Kimmig von der University of Kansas. "Manchmal erschafft sie etwas, und es funktioniert einfach nicht." Während es heute noch Spezies gebe, die seit der Zeit des Kambriums, also seit einer halben Milliarde Jahre, praktisch unverändert geblieben sind, konnten sich andere nur ein paar wenige Millionen Jahre halten, ehe sie wieder verschwanden.

Der Fund

Ein Beispiel für Letzteres dürfte nun in Schieferablagerungen im Norden des US-Bundesstaats Utah gefunden worden sein. Das Wesen, dessen Abdruck in der Sedimentschicht erhalten geblieben ist, ähnelt auf den ersten Blick einem langstieligen Weinglas oder einer Tulpe. Allerdings soll es keine Pflanze gewesen sein, sondern ein Tier.

Entdeckt wurde das rätselhafte Relikt aus dem Kambrium vor einigen Jahren vom mittlerweile verstorbenen "Fossilienjäger" Lloyd Gunther. Gunther stiftete es dem Biodiversitätsinstitut der University of Kansas, wo Paläontologen es mittlerweile genauer untersucht haben. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im "Journal of Paleontology".

Der Körperbau

Laut den Experten handelt es sich um einen Plankton-Filtrierer: Das Tier war mit einem Stiel am Meeresboden befestigt. Alle wesentlichen Organe befanden sich im Calyx genannten kelchförmigen Oberteil: sowohl die Filtermechanismen als auch der Verdauungstrakt. Im Schiefer ist nur der Abdruck eines einzelnen Individuums enthalten. Die Forscher schließen aber nicht aus, dass dieses Exemplar einer ganzen Kolonie von Artgenossen angehörte und aus ungeklärter Ursache aus dieser entfernt wurde.

Es gibt auch heute Tiere mit durchaus ähnlichem Körperbau und einer entsprechenden Lebensweise: etwa Seelilien, im Boden verankerte Verwandte der Seesterne. Um einen kambrischen Verwandten der Seelilien soll es sich bei dem Tier aus Utah laut Kimmigs Team aber nicht gehandelt haben.

Unklarer Platz im Stammbaum

Als Würdigung des Entdeckers erhielt die Spezies die Bezeichnung Siphusauctum lloydguntheri. Der Gattung Siphusauctum gehört bislang nur eine einzige Spezies an, die 2012 in Kanada entdeckt worden war. Wo genau die ganze Gattung im Stammbaum der Tiere steht, ist aber weiterhin unklar. Man hat sie bei den Bilateria, also den "Zweiseitentieren", eingereiht, doch das ist ein extrem weites Feld: Wirbeltiere gehören ebenso zu dieser Gruppe wie Gliederfüßer, die verschiedenen Gruppen von Würmern oder die mikroskopischen Moostierchen.

Vorerst bleibt die tierische Tulpe ein Rätsel. Laut Kimmig ist sie eine Erinnerung an den gewaltigen evolutionären Bogen, in dem laufend Spezies erscheinen und wieder verschwinden. (jdo, 13. 10. 2017)