Ein acht Hektar großes Areal liegt in bester Innsbrucker Innenstadtlage brach.

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Am Sonntag wird über Olympia in Innsbruck abgestimmt.

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Ganze acht Hektar beste Innenstadtlage. Das Areal am Innsbrucker Frachtenbahnhof ist für Stadtrat Gerhard Fritz (Grüne) "die größte Wunde im Stadtgebiet". Eine undurchlässige Schneise zwischen Olympiabrücke im Süden und Museumstraße im Norden, die die Innenstadt von Pradl trennt. Seit fast 20 Jahren zeichnet sich ab, dass die ÖBB die alten Gleisanlagen nicht mehr benötigen. Der Großteil des Güterverkehrs wird mittlerweile im nahen Hall in Tirol abgefertigt oder verschwindet bereits bei Mils im Unterinntal im Tunnel in Richtung Italien.

Im Zuge der aktuellen Diskussion um eine mögliche Bewerbung Tirols und Innsbrucks für die Olympischen Winterspiele 2026 – am Sonntag wird darüber abgestimmt – rückt das in Vergessenheit geratene Stadtentwicklungsjuwel wieder in den Fokus. Denn hier soll das Olympische Dorf mit rund 400 Wohnungen entstehen. Vorausgesetzt, die ÖBB treten die Liegenschaft endlich ab.

Masterplan adaptieren

Seitens der Stadt Innsbruck hofft man seit bald 20 Jahren darauf. Olympia soll dem Ansinnen nun den nötigen Nachdruck verleihen. Denn bislang scheiterte man dem Vernehmen nach daran, dass sich ÖBB-intern die Abteilungen Immobilien und Infrastruktur uneins bezüglich der Zukunft des Areals sind. Offiziell sagt dazu Johannes Karner, Geschäftsführer der ÖBB-Immobilienmanagement: "Wir brauchen die Liegenschaft für den Brenner-Basistunnel (BBT), können aber möglicherweise andernorts Flächen zur Verfügung stellen. Ende des Jahres können wir mehr dazu sagen."

Zeit, die man angesichts der angedachten Nutzung als Olympisches Dorf nicht hat. Stimmen die Tiroler am Sonntag für eine Bewerbung, so der für Stadtplanung zuständige Fritz, dann müsse man umgehend mit den Planungen beginnen. Wobei dazu lediglich der seit 2002 existierende Masterplan des Frankfurter Büros Greulich adaptiert werden müsse. Schon damals hatte Innsbruck einen städtebaulichen Wettbewerb für das Frachtenbahnhofareal ausgeschrieben.

Blöcke und Hochpunkte

"Die Stadtplanung steht für eine Adaptierung Gewehr bei Fuß", erklärt Fritz. Denn der Städtebau habe sich in den fast zwei Jahrzehnten verändert. Konkret geht es um mehr Dichte und mehr urbane Durchmischung, so sollen in den Erdgeschossen keine Wohnungen entstehen. Grundsätzlich sieht das Greulich-Konzept eine Fortführung der Bauweise des im Osten angrenzenden Tivoli-Areals mit Blöcken und Hochpunkten vor, das ebenfalls auf einen Entwurf der Frankfurter zurückgeht.

Arno Ritter, Leiter des Forums Architektur und Tirol, hat von seinem Büro im ehemaligen Adambräu freie Sicht auf den Frachtenbahnhof: "Das ist kein peripherer Standort, sondern ein Vermittlungsraum zwischen Innenstadt, Wilten und Pradl. Ein spannendes Gelände." Doch Ritter befürchtet, das Potenzial des Areals könnte nun dem "pragmatischen Zeit- und Ökonomiedruck" einer Olympiabewerbung geopfert werden. "Die Gefahr liegt darin, dass bevor über Inhalte nachgedacht wird, nur über eine Nutzung für Olympia nachgedacht wird."

Fehler der Vergangenheit

Ritter verweist auf das O3, das dritte Olympische Dorf Innsbrucks, das anlässlich der Jugendspiele 2012 im Stadtteil Reichenau errichtet wurde. Man hat dort rund 440 Wohneinheiten geschaffen: "Allerdings blieb dabei die Freiraumqualität auf der Strecke. Das O3 ist ein reiner Wohnbau ohne Urbanität und Offenheit für die Zukunft." Solche Fehler müssten am Frachtenbahnhof vermieden werden, man müsse diesen unbedingt auch inhaltlich mit der Stadt verbinden.

All dies zu entwickeln bräuchte vor allem Zeit. Bewirbt sich Tirol jedoch für die Olympischen Spiele 2026, wird man die kaum haben. Denn das Areal weist zwei weitere Besonderheiten auf. Einerseits war es eine der am intensivsten bombardierten Flächen Österreichs im Zweiten Weltkrieg. Es ist daher mit Blindgängern und Kriegsrelikten zu rechnen. Zudem ist der Boden nach über 100 Jahren Nutzung als Güterbahnhof mit diversen Umweltgiften kontaminiert. Welche genau, weiß niemand, und wer für die Entsorgung aufkommen soll, wird Teil zäher Verhandlungen werden.

Stadtrat Fritz hofft dennoch auf Olympia. Denn einen Plan B für ein Athletendorf gibt es derzeit nicht, und mit den Spielen als Druckmittel soll die Republik helfen, die ÖBB von einem Verkauf zu überzeugen: "Wir brauchen das Areal nicht unbedingt, aber es wäre im Sinne der Stadtentwicklung, diese Brache endlich zu nutzen." Stimmen die Tiroler gegen eine Bewerbung, so fürchtet Fritz, werde sich die nächsten 15 Jahre wieder nichts tun. (Steffen Arora, 14.10.2017)