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Sooronbai Dscheenbekow (im Hintergrund) gilt als Favorit für die Wahl in Kirgistan.

Foto: Reuters / Vladimir Pirogov

Moskau – Premiere in Kirgistan: Wenn die drei Millionen Wahlberechtigten am Sonntag über einen Nachfolger für Präsident Almasbek Atambajew abstimmen, soll erstmals in dem kleinen zentralasiatischen Staat die Macht friedlich übergeben werden. Der 61-jährige Atambajew hat auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Überraschend kam die Entscheidung nicht, schließlich hatte der in Moskau studierte Wirtschaftsingenieur schon vor vier Jahren erklärt, nach nur einer Amtszeit Schluss zu machen.

Der Entschluss sei auch eine der Lehren aus den Amtszeiten seiner Vorgänger Askar Akajew (1991 bis 2005) und Kurmanbek Bakijew (2005 bis 2010), die beide über ihren zunehmend autoritären und korrupten Regierungsstil stürzten und nach Revolutionen außer Landes fliehen mussten. Allerdings wurde auch die Kritik an Atambajew zuletzt lauter. Die Opposition wirft ihm die Gängelung von Medien und die Verschleierung von Einkommen vor.

Zweifel an den Umfragen

Mit Sooronbai Dscheenbekow (58) hat aber ein Wunschkandidat Atambajews beste Aussichten dessen Nachfolge anzutreten. Beide kennen sich bereits seit rund 30 Jahren. Dscheenbekow gehört wie der jetzige Präsident der Sozialdemokratischen Partei Kirgistans an und war bis zum Wahlkampfauftakt im August Premierminister des Landes. Laut der von den Behörden präsentierten Umfrage des "El-Pikir"-Meinungsforschungsinstituts liegt er bei 40,4 Prozent der Stimmen.

Der schärfste Herausforderer Omurbek Babanow, einst ebenfalls Premier und Chef der liberalen Partei "Republik Ata-Schurt", kommt demnach auf 21,8 Prozent der Stimmen. Über die Zuverlässigkeit der Umfrage gibt es Zweifel, "El-Pikir" ist laut der Internetzeitung Kyrgyztoday seit 2014 nicht mehr aktiv. Experten sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten, während die übrigen der insgesamt 13 zugelassenen Bewerber wohl keine Rolle spielen dürften.

Schmutzkübel auch bei den Kirgisen

"Am Ende wird Dscheenbekow aufgrund der administrativen Ressourcen gewinnen, dagegen hat keiner eine Chance", meint der Zentralasienexperte Daniil Kislow. Der Chefredakteur von Fergana.ru spricht von Stimmenkauf und einer "Schmutzkampagne", die die Regierung gegen Babanow fahre: So soll jener angeblich die ethnischen Usbeken im Land aufwiegeln. 2010 war es nach dem Sturz des korrupten Präsidenten Bakijew zu gewaltsamen Unruhen im Süden Kirgistans gekommen, die sich zu ethnischen Auseinandersetzungen entwickelten, bei denen es Hunderte Tote gab (die Schätzungen schwanken zwischen 174 und 2.500 Opfern). Das Thema ist daher äußerst brisant.

Zur Kampagne zählen auch Gerüchte über einen angeblich geplanten gewaltsamen Umsturz, den die Opposition im Falle einer Niederlage plane: Zwei Wochen vor der Wahl verhaftete der kirgisische Geheimdienst den Abgeordneten Kanatbek Isajew, Chef der Partei "Kirgistan". "Um auf illegale und gewaltsame Weise an die Macht zu kommen, haben sie einen Plan zur Destabilisierung der Lage im Land einschließlich der Regionen während und nach der Wahl entworfen unter dem Vorwand der angeblich gefälschten Wahlen", so der Vorwurf an die Anhänger Isajews. Der Politiker hatte selbst kandidieren wollen, unterstützte aber schließlich Babanow. Die Vorwürfe gegen Isajew fallen damit auch auf diesen zurück.

Sorge um Stabilität

Babanow selbst spricht von Provokation. "Niemand im Land will eine Destabilisierung. Meine Position ist eindeutig – bei den Wahlen muss man ehrlich und sauber gewinnen", sagte er. Für einen Wahlsieg müsste der Gewinner mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass dies einem der Kandidaten im ersten Wahlgang gelingt. Eine Stichwahl scheint vorprogrammiert.

Außenpolitisch dürfte sich Kirgistans Kurs allerdings kaum ändern. Wirtschaft und geographische Lage erfordern gute Beziehungen zu Russland, Kasachstan und China. Brisant, dass Atambajew kurz vor der Wahl, das Verhältnis zu Kasachstan durch Vorwürfe einer Wahleinmischung schwer belastet hat. Sollte Dscheenbekow gewinnen, muss er zerschlagenes Porzellan wieder kitten. Interessant wird auch zu sehen, wie sich das Verhältnis Kirgistans unter ihm zur islamischen Welt verändert. Sein jüngerer Bruder Asylbek gilt als einer der stärksten Verfechter enger Beziehungen zu Saudi-Arabien in Bischkek. (André Ballin, 14.10.2017)