Markus Kraetschmer steht vor jener Baustelle, aus der bald das neue, schmucke Stadion der Wiener Austria wird.

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STANDARD: Es ist kein Geheimnis, dass die im ÖFB-Präsidium vertretene Bundesliga mit ihren drei von insgesamt 13 Stimmen für einen Abschied von Teamchef Marcel Koller und für die Trennung von Sportdirektor Willi Ruttensteiner gewesen ist. Warum eigentlich?

Kraetschmer: Wir müssen zwei Dinge unterscheiden. In Gmunden hat man am 15. September den Beschluss gefasst, den Vertrag mit Koller nicht zu verlängern. Es war ein anderes Mehrheitsverhältnis als am 7. Oktober in Wien bei Ruttensteiner. Es ist aber richtig, dass die Liga in beiden Fällen gesagt hat, wir präferieren Neues.

STANDARD: Koller war 3:10, Ruttensteiner 5:8. Also warum Koller?

Kraetschmer: In Gmunden gab es eine Analyse und den Bericht von Ruttensteiner. Es ist Faktum, dass wir nach der tollen EM-Quali von 18 Partien nur vier gewonnen haben. Gegen Malta oder Albanien. Die Tendenz war negativ, in der WM-Quali hatten wir keine Chance mehr, sind wir doch ehrlich. Windtner hat vor Gmunden ein Gespräch mit Koller geführt, der war prinzipiell für neue Verhandlungen bereit. Natürlich hätte er finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Wir haben aber klipp und klar gesagt, nach sechs Jahren wäre ein Neustart besser. Willi Ruttensteiner hat nicht behauptet, verlängert unbedingt mit Koller.

STANDARD: Wieso musste drei Wochen später Ruttensteiner gehen?

Kraetschmer: Wir haben in Gmunden einen dreistufigen Prozess beschlossen. Analyse der Struktur Sport, Kompetenzveränderungen beim Sportdirektor, neuer Teamchef. Zum Thema Sportdirektor wurde die Frage gestellt: Ist der bestehende Mann der Richtige oder gibt es Alternativen? Das Präsidium ist quasi ein Aufsichtsrat, in dem sitzt nicht nur sportliche Kompetenz. Deshalb gibt es ja eine Taskforce, deshalb soll der Sportdirektor den Teamchef suchen. Das Verhältnis dieser zwei Positionen wird neu gestaltet. Es macht keinen Sinn, dass der Sportdirektor dem Teamchef übergeordnet ist. Ruttensteiner, der 18 Jahr lang viele Dinge gut gemacht hat, war damit einverstanden, folglich war er auch ein Kandidat. Wir haben uns im Ausland umgeschaut, mögliche Anwärter waren aber einfach zu teuer.

STANDARD: Man hat sich rasch auf Peter Schöttel geeinigt, oder?

Kraetschmer: Wir haben Peter Schöttel aufgrund seiner Erfahrungen in allen fußballerischen Belangen kontaktiert. Die Taskforce hat sich intensiv mit ihm ausgetauscht, er hat uns überzeugt. Ein Desaster war die Kommunikation, die Außendarstellung. Freundlich ausgedrückt war sie nicht ideal, tatsächlich war sie einfach nur schlecht. Die Leute haben sich nicht daran gehalten, ruhig zu sein. Schöttels Liste mit den zehn Namen möglicher Teamchefs darf jetzt nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Was man nicht verhindern kann, ist, dass in den Medien mit Namen herumgeworfen wird. Ein paar werden auf der Liste sein.

STANDARD: Es ist Fakt, dass Präsident Windtner pro Koller und Ruttensteiner war. Müsste er nicht den Hut draufhauen, da seine Meinung offensichtlich nichts zählt?

Kraetschmer: Wichtig ist, nach vorn zu schauen. Windtner wurde im Juni wiedergewählt. Dass jeder seine eigene Meinung einbringt, ist klar. Letztlich leben wir in einer Demokratie, in der die Mehrheit die Entscheidung trifft.

STANDARD: Ist die Liga mehr als nur das Zünglein an der Waage? Da die neun Landesverbandschefs dazu neigen, Fähnchen im Wind zu sein, muss man nur vier gewinnen, um die Mehrheit zu haben.

Kraetschmer: Ich bin sehr lange in diesem Gremium, man ist meist mit großer Mehrheit zu Entscheidungen gekommen. Es gibt eben ein Statut, das regelt die Zuständigkeiten. Es gab ja schon einmal ein Direktorium, es wurde abgeschafft. Wir von der Liga haben uns dort reinreklamiert, wo es Überlappungen mit dem Spitzensport gibt. Fußball ist keine Einbahnstraße, sondern ein Miteinander. Das Nationalteam ist unser gemeinsames Flaggschiff.

STANDARD: Würden ehrenamtliche Funktionäre entscheiden, wer bei der Austria Sportvorstand wird, wäre das doch aberwitzig, oder?

Kraetschmer: Ja, aber die Strukturen in Klubs sind andere. Wir sind eine Kapitalgesellschaft.

STANDARD: Einspruch. Auch das Nationtalteam ist ausgelagert, ein Wirtschaftsbetrieb. Sollen Amateure darüber befinden, in welche Richtung der Hase läuft? Ist der Föderalismus nicht das Problem?

Kraetschmer: Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Nehmen wir das Veranstaltungsgesetz her. In Wien darfst du Dinge nicht tun, die in Vorarlberg erlaubt sind. Der ÖFB hat eben eine föderalistische Zusammensetzung.

STANDARD: Trotzdem. Fußball ist ein Milliardengeschäft, der ÖFB wirkt wie ein zerstrittener Kleingartenverein.

Kraetschmer: Löst die Diskussion einen Prozess aus, um Strukturen zu ändern, bin ich dafür. Im aktuellen Fall war aber die begleitende Kommunikation das Hauptproblem. Was hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, soll dort bleiben. Mit der Weisheit des Rückblicks hätte man vieles besser machen können. Man weiß eben immer erst am Montag, wie das Wetter am Sonntag war.

STANDARD: Koller hat ein intaktes Team mit mündigen Spielern hinterlassen. Die Siege gegen Serbien und Moldau sind ein Indiz dafür. Die Kicker haben die Situation auch dazu genutzt, um über den ÖFB herzuziehen. Sie bezeichneten den Stil als beschämend, warfen dem ÖFB falsche Entscheidungen vor. Und sie ernteten Applaus. Was wäre Ihre Reaktion, würden Ihre Spieler der Austria öffentlich Ahnungslosigkeit vorwerfen?

Kraetschmer: Das wird und darf es bei uns nie geben. Wir dachten, man könne sich mit der Teamchefsuche mehr Zeit lassen, schließlich finden Bewerbspiele erst wieder im September 2018 statt. Der Stress war auch da, weil Windtner ein Gespräch mit Kapitän Julian Baumgartlinger hatte. Ich kenne Julian von der Austria, er ist absolut professionell, hat dem Präsidenten gesagt, das Team brauche Ruhe und weiterhin passende Rahmenbedingungen. Er bestand auf das einwöchige Trainingslager in Spanien im November. Weil die Mannschaft im Umbruch ist, zusammenfinden muss. Deshalb haben wir am 30. Oktober einen Teamchef.

STANDARD: Ist die Liga vom ÖFB überhaupt abhängig? 2015, als die Welt noch in Ordnung war, sind die Zuschauerzahlen nicht gestiegen. Sie steigen, wenn Rapid ein Stadion baut.

Kraetschmer: Mag sein. Das Interesse am Fußball steigt aber mit den Erfolgen des Nationalteams, es ist eine Sogwirkung, die sich nicht in der Sekunde, aber mittelfristig niederschlägt. Wir sind knapp an einem Fixplatz in der Champions League dran.

STANDARD: Sie sitzen als Vertreter des kranken Ligapräsidenten Hans Rinner gemeinsam mit Windtner und den ÖFB-Geschäftsführern Bernhard Neuhold und Thomas Hollerer in der Teamchef-Taskforce. Werden Sie den Vorschlag von Schöttel absegnen?

Kraetschmer: Es geht nicht ums Absegnen. Es gibt ein Anforderungsprofil, es wurde verfeinert, hat bei Koller funktioniert. Schöttel wird keinen vorschlagen, der wie die Italiener 1980 spielen möchte.

STANDARD: Was passiert, wenn Ihr Trainer Thorsten Fink ganz oben auf der Liste steht?

Kraetschmer: Dann werde ich mich damit auseinandersetzen.

STANDARD: Eine österreichische Lösung gilt als wahrscheinlich. Peter Stöger und Ralph Hasenhüttl haben aber andere Pläne. Man redet jetzt von Freunderlwirtschaft. Sehen Sie darin eine Gefahr?

Kraetschmer: Nein, das ärgert mich. Ich finde das despektierlich. Das Ziel ist, den besten zu finden. Wir haben einen guten Stamm an Fußballern mit Potenzial. Wir sind aber in einem Ergebnissport, wir müssen Resultate liefer. Im Team, im Klub.

STANDARD: Werden wir banal. Die Austria gastiert am Sonntag bei Sturm Graz. Was wird sie liefern?

Kraetschmer: Einen Sieg. (Christian Hackl, 14.10.2017)