"Elex" ist für Windows, PlayStation 4 und Xbox One erschienen.

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Die Geschichte von Piranha Bytes ist eine bewegte und tief verwurzelt im Genre der Fantasy-Action-Rollenspiele. Mit "Gothic" (2001) lieferte das deutsche Studio einen Überraschungshit ab. Das Game und sein Nachfolger (2002) genießen bis heute im deutschsprachigen Raum Kultstatus. Das sehnsüchtig erwartete "Gothic 3" (2006) hingegen erwies sich zum Release nicht nur schwer fehlerbehaftet, sondern war eines der ersten Opfer der "Open World"-Krankheit, von der man spricht, wenn Entwickler ihre große, offene Welt nicht ausreichend mit Leben, Dynamik und Handlung füllen können. Die sprichwörtliche "Bananaware" reifte schließlich technisch wie inhaltlich erst dank Unterstützung der Fangemeinde.

Nach dem Bruch mit Publisher Jowood versuchte man sich ab 2009 unter dem Dach von Deep Silver an einer neuen Reihe mit dem Titel "Risen". Deren drei Teile stießen auf wechselhaftes Echo zwischen "sehr gut" und "solide". Nun ist man zurück, diesmal unter dem Dach von THQ Nordic. Mit "Elex" begründet man nicht nur eine weitere Serie, sondern probt auch die Abkehr vom bisher gepflegten Vergangenheitssetting zwischen Mittelalter, Magie und Piraten. Der GameStandard hat sich ins Abenteuer gestürzt.

Was kann "Elex" wirklich? Georg und Zsolt sprechen über Piranha Bytes neues Action-Rollenspiel.
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Armaggeddon zum Einstand

Die erzählerische Grundlage für das Spiel liefert das wohl spektakulärst mögliche Ereignis. Der Planet Magalan und dessen prosperierende, technologisch hochentwickelte Zivilisation wird von einem Kometeneinschlag erschüttert. Der Sternenbrocken legt nicht nur die Welt weitestgehend in Schutt und Asche, sondern bringt auch eine mächtige Substanz mit – das sogenannte "Elexit". Homo sapiens, mittlerweile organisiert in drei Fraktionen, braucht freilich nicht lange, per Versuch-und-Irrtums-Verfahren herauszufinden, dass das Material spannende Eigenschaften besitzt.

Zur größten Übertreibung in der Nutzung der bläulich glühenden Kristalle neigen die "Albs", die auf diesem Wege zur vierten Partei auf Magalan werden. Dort ist man dazu übergegangen, das Elexit einfach zu essen. Wer Pech hat, wird zu einem verrückten Mutantenwesen, wer Glück hat stattdessen ein Soldat mit Superkräften und eklatantem Gefühlsdefizit. Zur Aufrechterhaltung dieses Zustands wird allerdings die weitere Zufuhr der Space-Anabolika benötigt, was die Albs als Anlass sehen, sich zur Welteroberung anzuschicken.

Ihnen gegenüber stehen die Kleriker, die versuchen, die Technologien ihrer Vorfahren zu nutzen und weiter zu entwickeln, während sie gleichzeitig die Botschaft ihres Gottes Calaan in die Welt zu tragen versuchen. Die Outlaws wiederum pflegen ein eher anarchistisches Leben á la "Mad Max" in der Wüste und beklauen Mitglieder anderer Fraktionen schon mal gerne. Und die Berserker haben Technik insgesamt abgeschworen, leben nach strikten Regeln und haben einen Weg gefunden, Elexit in Mana zwecks Wirkung von Magie umzuwandeln, offenbar ohne den Nebenwirkungen von direktem Elexitkonsum. "Science-Fantasy", beschreibt man bei Piranha Bytes das Szenario.

Alb auf Abwegen

Der Spieler selbst verkörpert Jax, einen gefallenen Kommandeur der Albs. Wobei "gefallen" hier wörtlich zu nehmen ist, leitet das Spiel die Handlung doch mit einem plötzlichen Crash seines Gleiters ein. Eine andere Alb-Patrouille findet ihn und deren Anführer verurteilt Jax aufgrund seines Scheiters zum Tode durch Erschießung. Die Konfrontation mit dem Energiegewehr überlebt er allerdings und gelangt unter die Betreuung eines Berserkers, der ihn zu seinem Lager führt.

Wer sich an den Beginn von "Gothic" erinnert fühlt: Es ist nicht das letzte Déjá-vu, das man in "Elex" erlebt. Einzig auf Namenlosigkeit und Amnesie des Helden hat man verzichtet. Die Vergangenheit des Alter Ego ist allerdings nicht nur Beiwerk, sondern im weiteren Verlauf des Spieles für die Handlung relevant. Eine Reihe von Entscheidungen, die es zu treffen gilt, entscheiden zudem auch über die Entwicklung des Spielers und das Ende des Games. Nach über acht Teststunden war das Finale aber noch nicht ansatzweise in Sicht.

Das hat auch damit zu tun, dass man nicht stur der Haupthandlung folgen muss. Zahlreiche Nebenaufgaben können erledigt werden, deren Bandbreite von "50 Pilze einsammeln" bis zu mittellangen Handlungssträngen reicht, die ebenso manchmal dauerhafte Auswirkungen haben. Denn grundsätzlich kann jeder Computercharakter, so er nicht für den Fortgang der "Hauptquest" essentiell ist, auch zu Tode kommen. Spannend sind die Aufträge und Geschichten in Zusammenhang mit den eigenen Begleitern.

Die Vorgeschichte zu "Elex".
THQ Nordic

Gute, alte Formel

Doch auch wer nicht gerade direkt einem Auftrag folgt, kann viel entdecken. An vielen Ecken und Enden lassen sich Gegenstände oder besondere Orte finden. Auch Eastereggs wurden versteckt, in einer Turmruine nahe der Kuppelstadt Abessa hängt etwa ein Katzenbild an der Mauer, das den Kometeneinschlag offenbar gut überdauert hat. "Gothic"-Veteranen werden zudem auch die eine oder andere Hommage an den 16 Jahre alten Klassiker bemerken.

Auch in "Elex" wurde die bewährte Abenteurer-Formel beibehalten. Diese lautet: Je weiter abseits der großen Pfade ein Areal ist, desto wertvollere Dinge lassen sich entdecken und desto gefährlicher sind die Gegner. Dementsprechend gilt es als frischgebackener Heroe, bei Ausflügen ins Dickicht aufmerksam zu bleiben. Zu Beginn reicht nämlich von vielen Gegnern ein Treffer, um ins digitale Nirvana einzugehen. Die extensive Verwendung der Quicksave-Funktion ist hier anzuraten.

Aufträge, die in forderndes Territorium führen, sind deswegen natürlich nicht unerfüllbar. So bittet etwa ein Händler vor den Toren der Kleriker-Festung Ignadon um die Rettung seiner Waren, die ihm bei einer Monster-Attacke abhanden gekommen sind. Wer erste ein paar Stunden in "Elex" unterwegs ist, findet hier ein Trio übermächtiger Widersacher vor. Gezielte Provokation und taktische Laufmanöver erlauben es aber trotzdem, die Waren sicher zu stellen.

Alternativ kann man natürlich hochleveln und starke Ausrüstung anschaffen. Das setzt allerdings früher oder später voraus, dass man sich fix zu den Klerikern, den Berserkern oder den Outlaws bekennt, deren Karriereleiter man erst durchlaufen muss. Und natürlich hat die Wahl entsprechende Konsequenzen für die weitere Handlung und die zur Verfügung stehenden Kampfmittel.

"Rocket Man" auf Bergtour

Die Erforschung der Welt hat Piranha Bytes durch eine neues Element erleichtert, das gut in das immer wieder in "falloutesker" Atmosphäre versinkende Spiel passt: Ein Jetpack. Der selbstaufladende Raketengürtel erlaubt es, Sprünge aus großer Höhe zu bremsen, Vorsprünge von geschätzt zehn bis 15 Meter Höhe zu erreichen und kleinere Distanzen zu überfliegen. Die horizontale Beschleunigung wurde allerdings gering gehalten, wohl, um es als Werkzeug nicht zu mächtig zu machen. In der Vorwärtsbewegung ist man laufend deutlich schneller.

Passend zum neuen Spielzeug präsentiert sich die besuchbare Welt von Magalan sehr hügelig. Und weil die Steuerung der Spielerbewegung nicht unbedingt übertrieben präzise, sondern etwas "hakelig" ist, eignet sich das Jetpack auch hervorragend, um unbeabsichtigte Stürze abzufangen. Beim Fallschaden gibt sich der Titel nämlich gnadenlos.

Um manche Überraschungen trotzdem länger zu verstecken, sind manche Areale aber auch mit Jetpack nicht einfach begehbar. Gehindert wird man durch Eiseskälte oder giftiges Gas, die nach kurzer Zeit tödlich sind. Hier helfen nur medizinische (und nicht folgenlose) Gegenmittel, oder entsprechende Kleidungsmittel, deren Beschaffung nach einiger Arbeit verlangt.

Ein Easter-Egg, gefunden in einer Ruine nahe der Kuppelstadt Abessa.
Screenshot: Elex (Bearbeitung: GameStandard)

Apropos Hochleveln: In "Elex" kommt ein hybrides System aus klassischem RPG-Level-up und Trainersystem zum Einsatz. Basierend auf Erfahrungspunkten kann man beim Erreichen eines neuen Meilensteins zusätzlich Punkte auf die Kernattribute des Helden (Stärke, Intelligenz usw.) vergeben.

Spezialisierungen auf verschiedene Waffengattungen, besondere Kampftechniken und Softskills für Gespräche bringen einem an verschiedenen Orten ansässige Trainer gegen Talentpunkte und Geld bei, sofern man die eigenen Grundfertigkeiten ausreichen ausgebaut hat. An sich wirkt dies wie eine gute Lösung, am Balancing der Voraussetzungen und Kosten könnte aber noch gefeilt werden. Es dauert doch recht lange, ehe man sich diese Charakterverbesserungen "leisten" kann.

Retro-Flair mit Detailverliebtheit

Grafisch wissen die Ausflüge über Magalan durchaus zu gefallen. Nach wie vor setzten die Entwickler auf ihre eigene Engine, und wie schon gewohnt liefert diese keine State-of-the-Art-Visualisierung des Geschehens. Das äußert sich unter anderem in allerlei härteren Animationsübergängen wie auch einigen "grobschlächtigeren" Modellen für Landschaft und Akteure, wenn man aktuellere Games oder Werke wie "The Witcher 3" heranzieht.

Wett gemacht wird das durch eine liebevolle Gestaltung der Welt, die zu großen Teilen händisch vorgenommen wurde. An einigen Stellen laden Sehenswürdigkeiten oder schöne Ausblicke über die Landschaft zu einer kurzen Verschnaufpause an. Auch die Hauptsitze der einzelnen Fraktionen sind sehr einzigartig gehalten. Und obwohl die Erzählung hin und wieder schwächelt wird das Setting trotz seiner gewagten Mischung als Postapokalypse, Magie und Hochtechnologie stimmig transportiert. Auch hier schließt man an die Stärke von "Gothic" an.

Trailer zu "Elex".
THQ Nordic

Schwächen aus Tradition

Aber auch ein paar seiner Schwächen schlagen sich – man muss beinahe sagen: traditionell – in "Elex" nieder. Neben der bereits erwähnten, hakeligen Steuerung wäre da etwa das Inventarsystem anzuführen. Mit Slots für Schnellzugriffe und Vorsortierung versucht man zwar, Komfort zu schaffen. Letztlich ist die Umsetzung aber zu überladen und nicht besonders mausfreundlich.

Nicht unbedingt zu Weltruhm gelangen wird auch die künstliche Intelligenz von Gegnern und Mitstreitern. Letztere werden, so sie nicht übermächtigen Schaden verursachen, nur im Rudel gefährlich. Oft aber auch nur deswegen, weil sie allermeistens auf den Spieler fokussiert, selbst wenn die feindliche Computerfigur auch von einem halben Dutzend anderer Charaktere verprügelt bzw. beschossen wird. Die eigenen Begleiter laufen im Kampf gerne mal vor Schwert und Flinte, verhalten sich sonst aber sehr passiv. Man muss schon selbst einen Gegner attackieren, ehe man Hilfe erhält. Wird man selbst angegriffen, ignorieren sie dies, bis man beginnt, sich zu wehren – mitunter für jeden einzelnen Gegner einer Gruppe.

Das Kampfsystem schneidet sich eine Scheibe beim "Witcher" ab und implementiert auch ein Stamina- und Kombo-System. Das durchdacht wirkende Konzept leidet allerdings unter der unpräzisen Steuerung und die KI-Bugs trüben die Immersion. Es ist also keine Überraschung: Das Spiel benötigt noch den einen oder anderen Patch, um vollständig zu reifen.

Akustisch liefert "Elex" kaum Grund zur Kritik. Die Kampfmusik brandet manchmal etwas gar schnell auf, sonst aber liefert man eine sehr gelungene Untermalung des Geschehens ab. Die Soundeffekte sind sauber umgesetzt, hier und da passt nur die Lautstärkeabmischung nicht ganz.

Sämtliche Dialoge sind vertont und das auf meist hohem Niveau, wobei der Held Piranha-typisch wieder einmal das Raubein raushängen lässt. Dennoch sind viele Quest-Konfrontationen auch friedlich zu lösen – abhängig davon, über welche Fähigkeiten man verfügt oder wie viel Elexit-Splitter man dafür ausgeben will.

Fazit

Was lässt sich nach mehr als acht Stunden auf Magalan also über "Elex" sagen. Lassen wir zur Einleitung des Fazits Forenuser "Kimi" zu Wort kommen, der (oder die) immerhin schon fast so lange hier an Bord ist, wie es "Gothic" gibt und Folgendes zum Hands-on-Bericht im Juli schrieb:

"Elex" bietet Roboter, Energiewaffen und moderne Postapokalyps. Es sieht aus wie das Ergebnis einer amourösen Begegnung von "Gothic" und "Fallout". Während künstlerisch und erzählerisch beide Elternteile durchschlagen, kommt das Kind allerdings sonst ganz nach seiner deutschen Mama.

Drei spielbare, zerstrittene Fraktionen, ein gemeinsamer Überfeind, raue Sitten, launige Dialoge, gefährlich schöne Landschaften, unübersichtliches Inventar und ein paar patchwürdige Bugs. "Gothic" ist wieder da und bringt jetzt auch Jetpacks mit. Wer das Urgestein mochte und auch an "Risen" nicht verzagt ist, wird an "Elex" gewiss Freude haben. (Georg Pichler, 17.10.2017)

"Elex" ist ab 16 Jahren für Windows, PlayStation 4 und Xbox One erschienen. UVP: ab 49.99 Euro.