Carsten Brzeski ist Chefökonom der ING-DiBa.

Foto: ing-diba

Schon Marie von Ebner-Eschenbach meinte, man müsse sein Glück teilen, um es zu multiplizieren. Es ist nicht der Grundgedanke von Sharing Economy, aber das Prinzip knüpft ein wenig daran an: Teile man sein Auto, die Wohnung oder die Bohrmaschine vergrößert man zumindest den Wert des Instruments innerhalb der Gesellschaft, da mehrere Menschen davon profitieren. Der Chefökonom der ING-DiBa, Carsten Brzeski, gibt jedoch zu bedenken, dass viele gute Ideen der Sharing Economy irgendwann wirtschaftlich ausgebeutet werden. Im Rahmen der Kooperation "Mitreden Macht Zukunft" geht er auf Fragen der Poster zu seinem Beitrag "Sharing Economy – Chance oder Hype?" ein.

Carsten Brzeski: Interessanter Aspekt. Sicherlich beim Auto weiß ich natürlich auch nicht, wie die zukünftigen Kosten sein werden. Benzinpreise können steigen, Versicherungen oder Steuern können steigen. Es stimmt aber, dass bei der "professionalisierten" Sharing Economy die Gier nach Gewinn Überhand nehmen kann. Das sieht man schon bei AirBnB, durch das nicht die Preise von Hotelzimmern weiter sinken, sondern sich die Preise des "Sharing"-Angebots langsam dem Niveau der Hotelzimmer anpassen!

Carsten Brzeski: Damit sprechen Sie eine sehr wichtige Fragestellung in dieser ganzen Debatte an. Natürlich ist Eigentum etwas anderes als nur Benutzung. Die Frage ist allerdings, ob wir einen Wandel in den Gesellschaften sehen, bei dem Eigentum immer weniger wichtig wird. Letztendlich haben wir so einen Wandel schon in den letzten Jahren im Kleineren gesehen. Streaming-Dienste, ob nun bei Musik oder Filmen, haben die traditionelle CD oder Videotheken fast verschwinden lassen.

Carsten Brzeski: Ganz einverstanden. Wir sehen immer häufiger, dass Regierungen – um nicht als Bremse gescholten zu werden – technologischen Wandel einfach passieren lassen. Wir sehen aber immer mehr, dass der aktuelle technologische Wandel unsere Gesellschaften und Wirtschaften einschneidend verändert. Die Politik sollte daher diesen Prozess von Anfang an begleiten.

Carsten Brzeski: Aber was würden Sie machen, wenn es eine Zwischenperson gibt, die für gewisse Qualitäts- und Sauberkeitsstandards gerade steht? Hier wird das Teilen nämlich zur Sharing Economy. Digitalisierung bringt Anbieter und Nachfrager besser zusammen und kann natürlich auch hier überwachend funktionieren. Eine schlechte Review über den letzten Gast und der nächste Anbieter von Couch-Surfing wird es sich genau überlegen, sein Sofa an besagten Gast herzugeben.

Carsten Brzeski: Letztendlich ist der Ursprung von Uber kaum anders als die Idee, dass man sich die Bohrmaschine vom Nachbarn leiht. Die Idee geht darauf zurück, dass viele Autofahrer alleine von A nach B fahren und dabei viel Sitzplatzkapazitäten verschenken. Wenn man auf seinem Weg jemanden mitnimmt, um ihn unterwegs wieder abzusetzen, dadurch weniger Autos benutzt werden und dazu auch noch die Umweltverschmutzung reduziert wird, ist das auch Sharing Economy. Nichts anderes als eine Mitfahrerzentrale, nur, dass das Internet die Mitfahrzentrale viel schneller und agiler gemacht hat.

Problem dabei ist allerdings in der Tat, dass viele gute Ideen der Sharing Economy irgendwann wirtschaftlich ausgebeutet werden. Der Uber-Fahrer, der jemanden auf seinem eigenen Weg von A nach B mitnimmt, ist nicht das Problem. Der Uber-Fahrer, der letztendlich nur den Taxifahrer über niedrigere Preise aus dem Markt verdrängt schon. (Carsten Brzeski, 18.10.2017)