Kanzler Kern und ÖVP-Chef Kurz bei der gemeinsamen Elefantenrunde der Privatsender. Im Vordergrund: Puls-4-Infochefin Corinna Milborn.

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Larissa Krainer.

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Wahlabend, 17 Uhr. Die Einschaltquoten rasen in die Höhe, der ersten Hochrechnung folgen Liveschaltungen zu den Orten parteipolitischer Zusammenkünfte, Bilder des Jubels und des Schocks werden abgelöst von Analysen in den Studios. Die Prognosen schwanken über die Sender hinweg, die Schwankungsbreiten verringern sich im Laufe der Zeit, manches verdichtet sich, einiges bleibt offen. Neue Hochrechnungen, Interviews, Liveschaltungen, Studioanalysen, Diskussionen, Interpretationen, Einschätzungen, Statements, Kommentare. Wieder neue Hochrechnungen, und alles beginnt von vorne.

In der ersten ORF-Runde der einen Spitzenkandidatin und der fünf Spitzenkandidaten, die eingeladen wurden, bleiben zunächst zwei Sessel leer, der Bundeskanzler kommt verspätet, der mit neuer Liste wieder Eingezogene zuletzt. Dann sind sie alle da, geben mehr oder minder klare Antworten auf gestellte wie ungestellte Fragen. Die Zeit ist knapp, der Wechsel der Spitzenfunktionäre ins benachbarte Fernsehstudio steht bereits an, vom öffentlich-rechtlichen Studio hetzt man in das der Privatsender. Neben den Fernsehanstalten haben auch alle Print- und Onlinemedien ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den strategischen Plätzen des Abends verteilt, sie fragen nach, sammeln ein, geben weiter, live und danach fortwährend.

Getrieben von den Fragen der nächsten Tage

Während diejenigen, die den Wahlkampf zu bestreiten hatten, trotz des teilweise als unerfreulich bis dramatisch empfundenen Ergebnisses allesamt erleichtert erscheinen, dass die Entscheidung gefallen ist und das Endergebnis bald vorliegen wird, scheinen die, die für die Berichterstattung sorgen, bereits getrieben von den Fragen der nächsten Tage. Dankesworte an die, die für die Wahl gelaufen sind, wie an die, die ihre Stimme einer Bewegung gegeben haben, werden bestenfalls toleriert, das Ergebnis selbst wird kaum besprochen, einzig bewegend scheint nur eine Frage, wer nun mit wem koalieren wird. So, als müssten Medien die Politik stets vorantreiben, so, als bräuchte es nach Wahlen keine Pause – für Erholung, Reflexion wie Neubeginn. Die Frage wird an diesem Abend zig, vermutlich sogar hunderte Male gestellt – und bleibt von der Politik doch unbeantwortet.

Demgegenüber verweisen alle Spitzenfunktionäre auf einen nachvollziehbaren Prozess, der zugleich das reguläre Verfahren umfasst: Erst alle Stimmen auszählen, dann das Endergebnis in den Parteigremien analysieren, anschließend abwarten, wem der Bundespräsident den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, dann miteinander reden (um zueinanderfinden zu können oder eben nicht), darauf folgend geeignete Persönlichkeiten nominieren, eine Regierung bilden und letztendlich die Medien und damit die breite Öffentlichkeit, also uns alle, informieren. Klingt plausibel, sogar logisch zwingend. Wer also sollte vor alldem das Ergebnis bereits kennen, vor dem Führen von Koalitionsgesprächen bereits sagen können, wie sie ausgegangen sein werden?

Warum nicht in Ruhe abwarten und die notwendige Zeit gewähren? Warum Dinge beschleunigen wollen, die der Zeit des gründlichen Nachdenkens bedürfen? Warum nicht inzwischen darüber nachdenken, ob wir einen solchen Wahlkampf – samt aller Fake-News – wieder erleben wollen? Ob wir weiterhin mit so unüberschaubar vielen Informationen und Medienangeboten konfrontiert sein wollen? Überlegen, was uns daran gefällt, was nicht und wie wir es gerne anders hätten?

Der Wahlkampf wie die Wahl bieten hinreichend Anlass, um nachzudenken, und das weitere Vorgehen möge gut bedacht werden. Das mediale Treiben hat manchmal seinen Sinn, mitunter aber wohl auch nicht. (Larissa Krainer, 17.10.2017)