Millionen Euro für Baumax-Werbung verpufften. Heute erinnert nichts mehr an den Marktführer.

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Wien – So groß und mächtig Marken im Handel einst auch waren: "Ihre Halbwertszeit ist gering. Sie verschwinden rasch, selbst wenn zuvor hunderte Millionen Euro in ihre Werbung geflossen sind", resümiert Andreas Kreutzer. An die 160 Filialen und mehr als 1,2 Milliarden Euro Umsatz zählte Baumax quer durch Europa in seinen besten Zeiten, rechnet der Marktforscher vor. In Österreich prägte der familiengeführte Konzern bis zu seinem Ende 22 Prozent des Geschäfts mit Heimwerkern.

Knapp mehr als zwei Jahre ist es nun her, seit die letzten Baumax-Standorte hierzulande geschlossen wurden. Und es scheint, als hätte der Branchenführer nie existiert. Nur sieben Märkte fanden keinen Abnehmer. Rivale Obi sicherte sich mit 49 das Gros der Flächen. Eine ging an Hornbach, sieben holte die Hagebau-Gruppe unter ihr Dach.

Letztere gilt als stiller Riese des Baustoffgeschäfts. Hie und da gibt Hagebau einzelne trockene, internationale Bilanzzahlen preis. Ins öffentliche Rampenlicht drängten sich seine Händler freilich nie. Dabei haben die meisten von ihnen ihre traditionell regionalen Märkte seit Jahren fest in der Hand.

4,6 Milliarden Euro

Rund 4,6 Milliarden Euro geben Konsumenten und Gewerbe jährlich für Baustoffe und Baumarktsortiment aus. Daran hat sich seit dem Ende von Baumax wenig geändert. 58 Prozent des Geschäfts gehören Selbstbedienungsmärkten, mit Abstand allen voran Obi, gefolgt von Lagerhaus, Hornbach und Bauhaus, erhob Kreutzer. Hagebau ist der kleinste im Bunde.

Anders sieht es im Baustoffhandel aus, für den die übrigen rund zwei Milliarden Euro abfallen. Sie gehören gut zur Hälfte Hagebau – womit sich die Gruppe unter die größten Händler des Landes reiht. Um 21 Prozent sei der Umsatz von Hagebau 2016 in Österreich gewachsen, sagt Niederlassungsleiter Clemens Bauer dem STANDARD.

Auch flächenbereinigt stehe im Vorjahr wie heuer ein Plus in den Büchern. Was wurde aus den früheren Baumax-Filialen? Die Hagebau-Partner Fetter, Lieb, Reisinger, Nadlinger und Schneider haben sie Bauer zufolge "auf völlig neue Beine gestellt, mit ihren Konzepten und ihren Sortimenten. Sie alle laufen besser als geplant."

Antiquierte Strukturen

Hagebau pflegt Strukturen, die im Handel als antiquiert gelten. Die in Niedersachsen gegründete Gruppe ist seit 50 Jahren in Hand unabhängiger Gesellschafter. 370 sind es international, 37 in Österreich, die als mittelständische Betriebe Kunden ihrer Region bedienen. Teils als Fachhändler für Professionisten, teils als Einzelhändler, teils mit beiden Schienen. Erstere sind nicht dazu verpflichtet, die Marke Hagebau zu tragen. Wie viel sie über die Zentrale einkaufen, steht ihnen frei.

Hagebau wuchs mit diesem Modell in den vergangenen 15 Jahren um 200 Prozent, sagt Bauer. "Mittelständler sind ein Rückgrat. Sie sind verlässlich, kalkulieren richtig, richten sich nicht nur rein auf Wachstum aus." Regionale Händler wissen, wie ihr lokaler Markt tickt, ergänzt Kreutzer. Das sei jedoch nicht der einzige Grund, warum sich der Baustoffhandel der Macht weniger großer Ketten bisher entziehen konnte.

Rückendeckung von Kreditversicherern

Die Industrie könnte Baufirmen überwiegend direkt beliefern. Sie tue es aber nicht, da ihr das Risiko von Zahlungsausfällen zu hoch erscheine. Also würden Händler als Art Factoring-Bank verwendet. Diese seien der Garant dafür, dass sie zu ihrem Geld kämen, erläutert Kreutzer. Die regionalen Baustoffhändler wiederum holten sich bei ihren Geschäften mit der Baubranche Rückendeckung von den Kreditversicherern. Diese steuerten damit indirekt die Marktanteile der Händler mit. Für große Ketten sei die Branche folglich riskant – es sei denn, sie bürden sich landauf, landab unzählige Kreditversicherungen für ihre Kunden auf.

Hagebau spannte ein Netz von 1.700 Standorten über acht Länder in Europa. Die Zentrale verzichtet dabei auf eigene Filialen. 2015 lag der Außenumsatz der Gesellschafter bei fast 15 Milliarden Euro. Der deutsche Stammsitz Soltau wurde im Vorjahr ausgebaut. (Verena Kainrath, 18.10.2017)