Ein Höhenflug beim Leitzins der EZB ist derzeit nicht in Sicht.

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Wien – Wann wird die Europäische Zentralbank (EZB) beginnen, die Zinsen schrittweise wieder nach oben zu schrauben? Diese Frage beschäftigt aktuell viele Finanzexperten. Sparer und Anleger hoffen wohl auf baldige Zinsschritte, damit sich am Markt wieder Geld verdienen lässt und sich Sparen wieder lohnt. Kreditnehmer hingegen sind wohl über jeden Tag dankbar, an dem die Zinsen noch nahe null liegen, damit ihre Kredite noch möglichst lange günstig bleiben.

Für die Finanzbranche ist das aktuelle Zinsumfeld freilich mehr als herausfordernd. Banken verdienen an der Zinsmarge kaum noch etwas. Auch Versicherungen haben es immer schwerer, ihre Altverträge mit hohen Zinsversprechen zu erfüllen.

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, hat Hoffnungen auf ein baldiges Ende der historisch niedrigen Zinsen jedoch gebremst. Beim Lenkungsausschuss des Internationalen Währungsfonds vergangenen Samstag in Washington sagte Draghi, dass es zu erwarten sei, dass der Leitzins auf längere Zeit auf dem jetzigen Niveau verharre. Seit März 2016 ist der Leitzins in Europa bei null Prozent. Auch das Programm der Anleihekäufe im Wert von monatlich 60 Milliarden Euro werde wie geplant mindestens bis Ende Dezember weitergeführt, kündigte Draghi an – möglicherweise auch darüber hinaus. Grund für die weiterhin extrem expansive Geldpolitik der EZB ist die schwächelnde Inflation in der Eurozone. Sie wird gegenwärtig vor allem von Energie- und Lebensmittelpreisen getragen. Draghi sieht die Inflation in der Eurozone bei 1,2 Prozent im kommenden Jahr und bei 1,5 Prozent im Jahr 2019. Dies liegt deutlich unter dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB.

Inflation als Bremse

Auch Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und EZB-Ratsmitglied, brachte zuletzt die niedrige Inflationsrate als Bremse für eine Zinserhöhung ins Spiel. Solange die Inflation unter dem Zielwert der EZB bleibt, werden die Zinsen wohl auch nicht angehoben. Daher werde man auf lange Sicht mit vergleichsweise niedrigen Zinsen leben müssen. Eine baldiges oder gar abruptes Ende der aktuellen Zinspolitik in Europa ist damit jedenfalls nicht in Sicht. In den USA hat sich die Federal Reserve nun bereits zu zwei kleinen Zinsschritten hinreißen lassen und die Spanne auf 1,00 bis 1,25 Prozent angehoben.

Das Zinsumfeld hat es auch mit sich gebracht, dass sich die Finanzbranche und Kunden mit dem Phänomen der Negativzinsen beschäftigen mussten. Das hat dann auch die Gerichte auf Trab gehalten und für eine neue Rechtsprechung gesorgt. Außerdem gibt es Anlageklassen – wie etwa Immobilien -, die von der Suche nach Rendite massiv profitiert haben.

Staaten nutzen die niedrigen Zinsen, um sich langfristig billig zu verschulden – doch was sind solche Anleihen in einigen Jahren wert? Gibt es mittlerweile wieder Sparformen, die Zinsen bringen, die über der Inflation liegen – also einen Gewinn darstellen? Diesen Fragen ist der Standard nachgegangen. (Bettina Pfluger, 19.10.2017)