Flüchtlinge im Mittelmeer.

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Niamey/Ouagadougou/Rom – Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz im Niger und in Burkina Faso, Erzbischof Paul Yemboaro Ouedraogo, kritisiert Europas Flüchtlingspolitik. In einem Interview der deutschen Katholischen Nachrichtenagentur KNA forderte der Erzbischof am Donnerstag mehr Solidarität: "Afrika war für Europa – und die USA – oft nur dann interessant, wenn es darum ging, Rohstoffe abzubauen", so Ouedraogo.

"Man hat dann Bodenschätze ausgebeutet und sich damit aus dem Staub gemacht." Die jungen Afrikaner, die heute ihre Heimat verlassen, folgten lediglich dem Weg der Rohstoffe, "um in Europa Arbeit zu finden", so der Bischof laut Kathpress. Die von der EU favorisierten Flüchtlingszentren im Niger seien wenig hilfreich: "Mir kommt es eher so vor, als würde man die Menschen im Niger parken, weil da eben Platz ist."

"Grenzen müssen durchlässig bleiben"

Langfristig sei damit "rein gar nichts gewonnen", so Ouedraogo. "Die Menschen kommen in ein Camp, erhalten dort etwas zu essen. Aber die Möglichkeit, zu arbeiten, ein menschenwürdiges Leben zu führen, haben sie dort nicht." Der Erzbischof plädierte für mehr Offenheit. "Grenzen sind notwendig, aber sie müssen durchlässig bleiben. 'Nein, du darfst nicht kommen' – das kann nicht die Lösung sein."

Ouedraogo leitet die Erzdiözese Bobo-Dioulasso in Burkina Faso. Neben dem Vorsitz der Bischofskonferenz des Niger hat er dasselbe Amt für die Bischofskonferenz seines Heimatlandes Burkina Faso inne. Dort sei trotz islamistischer Anschläge in der jüngsten Vergangenheit das Verhältnis der Religionen stabil. "Natürlich säen solche Anschläge Misstrauen und Angst", sagte der Erzbischof in dem KNA-Interview. "Aber wir tun alles, um nicht in Panik zu verfallen."

Gute Beziehungen zu Muslimen pflegen

Auf die Frage, was die Kirche gegen die Ausbreitung des Extremismus tun könne, antwortete Ouedraogo: "Zuallererst die guten Beziehungen zu den Muslimen weiter pflegen und erreichen, dass die Muslime dauerhaft jeglichen Extremismus verurteilen." Als gutes Beispiel für den interreligiösen Dialog nannte Ouedraogo die von den Päpstlichen Missionswerken unterstützte "Karawane des Friedens", bei der junge Christen und Muslime in die Dörfer gehen, um für ein friedliches Miteinander zu werben. "So etwas hinterlässt Spuren, in kleinem Maßstab vielleicht, aber im Endeffekt profitiert die ganze Gesellschaft davon."

Extremisten, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende weiter, hätten noch nie etwas Gutes bewirkt – weder für Muslime, noch für Christen. "Das zeigen auch die Anschläge, denen genauso viele Muslime wie Nicht-Muslime zum Opfer fallen." Zugleich warnte Ouedraogo vor pauschalen Verdächtigungen. "Die Mehrheit der Muslime hat mit dem Terrorismus nichts zu tun."

Rund 60 Prozent der schätzungsweise 20 Millionen Einwohner in Burkina Faso sind Muslime; etwa 25 Prozent Christen, davon ein Großteil Katholiken. Mitte August kamen bei einem islamistischen Anschlag in der Hauptstadt Ouagadougou 18 Menschen ums Leben, darunter auch die zwei Täter.

Tunesier auf Sizilien sich selbst überlassen

Die in der sizilianischen Stadt Agrigent beheimatete Hilfsorganisation "Mare Amico" schlägt indes Alarm wegen der wachsenden Zahl tunesischer Migranten, die mit Fähren aus Lampedusa auf Sizilien landen. "Täglich landen Dutzende tunesische Migranten auf Lampedusa. Nach einigen Tagen im Hotspot der Insel werden sie mit einer Fähre nach Sizilien gebracht, wo sie im Hafen von Porto Empedocle bei Agrigent mit Broten und einer Ausweisungsaufforderung sich selbst überlassen werden. Die Menschen müssten in einer Woche Italien auf eigene Kosten verlassen, keiner tut es", so der Verband.

"Mare Amico" postete Bilder von Tunesiern, die in der Nacht zu Fuß auf den Straßen der Provinz Agrigent unterwegs sind. "Das ist das Schicksal der Tunesier, die in Italien eintreffen", so der Verband. Weil zuletzt vermehrt Flüchtlinge von Tunesien aus versucht haben, mit Booten nach Italien zu kommen, verhandelt die italienische Regierung mit Tunis, um die Zahl der Rückführungen zu erhöhen. Dementsprechende Gespräche liefen am Donnerstag in Rom, bestätigte das italienische Innenministerium.

Rückführungsabkommen

Italien hat zwar mit Tunesien ein Rückführungsabkommen abgeschlossen, dies sieht aber nur die Rückübernahme von maximal 30 Personen pro Woche vor. In den vergangenen Wochen kamen aber wöchentlich deutlich mehr als 30 Tuensier nach Italien. Das Land plant daher die Einrichtung eines Hotspots zur Identifizierung auf der Insel Pantelleria, die in Luftlinie nur 76 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt liegt. Ziel sei, dass die Menschen direkt von Pantelleria aus abgeschoben werden, hieß es in Rom. (APA, red, 19.10.2017)