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Proteste und Gedenken nach der Ermordung von Maltas renommiertester Journalistin.

Foto: Reuters/DARRIN ZAMMIT LUPI

"Das war kein Irrläufer, das war ein gezielter Schlusspunkt", so erklärt einer der Söhne der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia den Mord an ihrer Mutter. Rückblickend hätte man damit sogar rechnen müssen. Mord ist bekanntlich das beste Zensurmittel, zumindest aus der Sicht der Auftraggeber.

Mord darf jedoch keine Antwort auf Wahrheit sein. Journalismus bedeutet auch, dem Recht auf Information Folge zu leisten. Gerade die seit 1945 traditionell demokratischen Staaten Europas dürfen solche kriminellen Rachefeldzüge gegen investigativen Journalismus nicht zulassen, nicht durchgehen, nicht ungeahndet lassen. Gerade nicht innerhalb der EU, die sich doch als Friedensprojekt versteht und als solches auch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Korruptionsfälle

Daphne Caruana Galizia durfte nur 53 Jahre alt werden. Sie war die bekannteste Bloggerin des EU-Mitgliedstaates Malta. Unermüdlich recherchierte und publizierte sie Korruptionsfälle sowie all jene zweifelhaften Praktiken, die Malta zu einer Steueroase gemacht hatten. Sie war es, die als Erste darauf hinwies, wie der Staat schnelles Geld mit dem Verkauf von Staatsbürgerschaften machte.

Im April dieses Jahres – Malta schmückte sich da bereits seit vier Monaten mit der EU-Ratspräsidentschaft – erklärte sie in einem Interview mit dem ORF-"Europajournal" auf Ö1 die beeindruckende Preisgestaltung: Eine dreiköpfige Familie zahlt für die maltesische Staatsbürgerschaft 750.000 Euro, um nur ein Beispiel zu nennen. "Wer immer sich also die maltesische Staatsbürgerschaft kauft, muss hier auch einen offiziellen Wohnsitz haben, selbst wenn er oder sie nicht in Malta lebt. Mit der enormen Nachfrage sind auch die Wohnungspreise entsprechend gestiegen", erklärte damals die Journalistin.

Daphne Caruana Galizia war es auch, die die Panama-Connection prominenter maltesischer Politiker aufdeckte: "Es wurden drei Firmen in Panama gegründet – eine vom Premierminister, eine von seinem Kabinettchef und eine von einem seiner wichtigsten Ministerkollegen. Jetzt eben erst wurde bekannt, dass die dritte Briefkastenfirma der Frau des Premierministers gehört, im Endeffekt also ihm selbst", so die Bloggerin im Interview mit der ORF-Journalistin Cornelia Primosch. Knapp ein Jahr zuvor war das große Paket der Panama-Papers veröffentlicht worden.

Um Polizeischutz gebeten

Ende Juni lief die EU-Ratspräsidentschaft Maltas aus, am 16. Oktober zerfetzte eine ferngesteuerte Autobombe den Wagen der prominenten Journalistin unweit ihres Zuhauses. Als einer ihrer Söhne den Knall hörte und zugleich auch das Haus infolge der Detonation bebte, wusste er, wie sagt, dass seine Mutter Opfer eines Anschlags geworden war. Wenige Wochen zuvor hatte sie noch um Polizeischutz gebeten. Vergeblich.

Die Eskalation der Bedrohungen entsprach einem üblichen Muster, dessen sich auch gerne Mafiaorganisationen bedienen. Zunächst wurde der Hund der Familie getötet und mit durchgeschnittener Kehle vor die Haustür gelegt. Das war bereits 1996. Einige Jahre später brannte der Wagen des Nachbarn aus – dessen Haus gleicht dem der Journalistin, eine fatale Verwechslung. 2006 bemerkte ein Sohn mitten in der Nacht eine riesige Flamme neben seinem Elternhaus. Der junge Mann überraschte Unbekannte, die Benzinkanister über dem Feuer ausschütteten.

Schließlich versuchten nicht nur Unternehmer, sondern auch Politiker – zumeist mit ausländischen Anwälten – Daphne Caruana Galizia finanziell zu ruinieren – durch Verleumdungen und Anzeigen, die Gerichtskosten waren extrem. "Allein in diesem Jahr haben an die 20 Personen meine Mutter diffamiert", erzählt einer der Söhne. So auch ein sehr wohlhabender Geschäftsmann, der 19 Klagen gegen sie eingereicht habe: eine Klage für jeden Satz in einem ihrer Artikel.

Mitten in Europa

All dies geschah nicht in irgendeiner fernen Welt, sondern mitten in Europa. Noch dazu im kleinsten Staat der Europäischen Union, einem Inselstaat mit 450.000 Einwohnern, wo beinahe jeder jeden kennt. Die drei Kinder von Daphne Caruana Galizia vermuten die Mafia hinter dem hinterhältigen Mord: eine politische, ökonomisch, welche auch immer. Aus ihrer Sicht sind die entsprechenden Organisationen kaum überschaubar und ineinander verzahnt.

Alle rufen jetzt nach penibler Aufklärung, natürlich in Malta und auch in der EU. Enden wird das Ganze möglicherweise wie die Aufklärung des Mordes an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die am 7. Oktober vor elf Jahren hinterrücks erschossen worden ist. Übrigens genau am Geburtstag von Präsident Putin. Die Handlanger, die Auftragsmörder wurden gefunden und verurteilt. Die Auftraggeber sind nach wie vor unbekannt. Wir werden sehen, wann und wie der Mord an Daphne Caruana Galizia aufgeklärt wird. (Rubina Möhring, 20.10.2017)