Wien/Korneuburg – Das Justizministerium hat der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) die Zuständigkeit für die Gefängnisbibliotheken entzogen. Auslöser ist der Fund eines salafistischen Buches in der Justizanstalt Korneuburg, berichtete der "Kurier". Unverständnis für diesen Schritt zeigte IGGiÖ-Präsident Ibrahim Olgun am Freitag. Er sucht nun das Gespräch mit dem Minister.

Seit 2010 obliegt der Glaubensgemeinschaft die Kontrolle über den Bibliotheksbestand, um Radikalisierung in der Haft zu verhindern. Noch am Freitag werde diese an die Organisation Derad übergehen, die nun den gesamten Bücherbestand einer intensiven Prüfung unterziehen solle, teilte ein Sprecher von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) mit. Das in kyrillisch verfasste Buch dürfte nämlich nicht das einzige fragwürdige Werk sein.

Verurteilter Salafist entdeckte Buch

Ausgerechnet ein verurteilter Salafist hatte das extremistische Buch entdeckt und daraufhin seinem Betreuer gemeldet. "Dieses Buch war in kyrillischer Schrift geschrieben", begründete Ramazan Demir, oberster islamischer Gefängnisseelsorger, die Unachtsamkeit im "Kurier". Er kann die gezogenen Konsequenzen nicht nachvollziehen: "Nur weil ein Seelsorger einen einzigen Fehler gemacht hat, will man die gesamte islamische Seelsorge infrage stellen?"

Laut Brandstetter könnte das salafistische Buch in Korneuburg kein Einzelfall sein. "Die Tatsache, dass die Glaubensgemeinschaft schlagartig – nach Bekanntwerden der Causa – 30 weitere Bücher aus unserer Bibliothek entfernt hat, lässt befürchten, dass sich weitere problematische Lektüren in unserem Bestand befinden", meinte der Minister.

"Wir müssen alle Zweifel aus der Welt räumen und setzen jetzt auf volle Aufklärung. Beim Salafismus gilt bei uns die Nulltoleranzpolitik", so Brandstetter in einer schriftlichen Stellungnahme. Und weiter: "Ein solcher Fund konterkariert all unsere Bemühungen im Kampf gegen Radikalisierung in Haft. Daher müssen wir natürlich Konsequenzen ziehen."

Keine Planstellen für islamische Seelsorger

Der Entzug der Bibliothekenkontrolle ist nicht der einzige Schritt, den das Ministerium setzt. Auch in Zukunft soll es keine Planstellen für islamische Seelsorger in den Haftanstalten geben. Die Unterstützung der – freiwillig tätigen – Geistlichen solle aber nicht darunter leiden, hieß es aus dem Ressort. Die Schaffung von Planposten ist ein lange gehegter Wunsch der Glaubensgemeinschaft. "Es gibt viel Bedarf an Seelsorge", meinte Demir dazu.

Auch IGGiÖ-Präsident Olgun zeigte sich über den Schritt betroffen: "Ich kann die Aussage des Justizministeriums nicht nachvollziehen." Seit mehr als einem Jahr arbeite die Glaubensgemeinschaft zudem an einer einheitlichen Bücherliste für die Haftanstalten. Die Organisation Derad kenne man zwar, wisse aber nur wenig über sie. Eine Klärung erhofft sich Olgun nun von einem Gespräch mit dem Minister, das für Ende des Monats anberaumt ist. (APA, 20.10.2017)