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Eigentlich hätte man in der "Krone" die Anrede "Apoll von Meidling" erwartet.

Foto: AP / Ronald Zak

Im Rahmen der Sebastian-Kurz-Beweihräucherungswochen ist Michael Jeannée etwas Peinliches widerfahren. Er musste feststellen, dass ein Wiedergänger bei der deutschen "Bild" an seiner in der "Krone" über jeden Zweifel erhabenen Einzigartigkeit rüttelte. Wie soll man damit umgehen?

Da denkt einer genau wie er, da schreibt einer genau wie er, da watet einer in einem Meer von Kitsch, wie man es von ihm täglich gewohnt ist – und ist trotzdem ein anderer. Dieser Anmaßung versuchte Jeannée durch Einverleibung entgegenzutreten, weshalb seine Mittwochkolumne den im Folgenden zitierten Text enthielt. Lieber Sebastian Kurz, lautete die Anrede, begleitet von der Anhimmelung Polit-Mozart.

Mit 31 Kanzler – das ist vergleichbar mit Mozart, der mit 6 Jahren zu komponieren begann, hub der deutsche Jeannée-Aufguss an, raffiniert, weil für ein solches Talent zum stimmigen Vergleich hierzulande das Original berühmt ist. In der Gehirnforschung nennt man das eine genetische Profession, über die ein Mensch schon als Kind verfügt. Nun ist man zwar mit 31 noch nicht alt, genau genommen aber auch kein Kind mehr. Egal, sollte doch mit dieser genetischen Profession Anbetung dargebracht werden: Welche überirdischen Gaben haben Sie, Sebastian Kurz?

Wenn man ihnen gegenübersteht - wobei unklar bleibt, ob der Jeannée der "Bild" Kurz jemals gegenübergestanden ist -, wirken Sie jünger als 31, glücklicherweise aber doch etwas älter als sechs. Ihre Jugend ist entwaffnend. Wir sehen den Körper eines jungen Mannes. Keine Falten, Augen klar, volles Haar.

Hier hätte man nun mindestens die Anrede "Apoll von Meidling" erwartet, sogar ein "Ave verum corpus" hätte man der "Bild" zugetraut, doch unvermutet bog man ins moralische Fach ab. Kurz scheint wie ein Mann ohne Sünden, und das sollte nicht andeuten, der Schein könnte auch trügen, nein, Gott, was für Sünden kann ein 31-Jähriger haben? Ein 31-Jähriger Mann hat keine Altlasten, Sex-Affären.

Was die Altlasten betrifft, könnte man immerhin das Geilomobil ins Treffen führen, aber ein 31-Jähriger,der noch keine Sex-Affären gehabt hat, sollte vielleicht lieber ins Kloster als ins Bundeskanzleramt einkehren. Das ist einfach psychisch nicht gesund. Doch mehr von dieser Keuschheit.

Sebastian Kurz ist ein bescheidener junger Mann. Er fliegt nicht mit Militärflugzeugen. Er fliegt Linie, Economy Class - nur die Gemeindewohnung bleibt in dieser asketischen Passage ausgespart -, woraus klar folgt: Er ist zu jung, um eine Sünde zu begehen. Er lebt mit seiner Freundin, mit der er seit 13 Jahren zusammen ist, ohne dass daraus der Verdacht einer Sex-Affäre abgeleitet werden dürfte, von Sünde ganz zu schweigen. Kurz ist schließlich ein bescheidener junger Mann, wovon die gesamte Volkspartei Choräle singen kann.

Shakespeare, wechselt der deutsche Jeannée dann ins literarische Genre, schrieb in "König Lear": Die Jungen siegen, wenn die Alten fallen. Bei Mitterlehner musste man aber schon ein wenig nachtreten. Kein Wunder, dass der Jeannée der "Krone" diesen Text empfand, als wär' er ein Stück von ihm, und ihn unter dem Pseudonym des eigenen Namens veröffentlichte.

Aber die Freude über einen Gesinnungsgenossen im Schwulst überwog. In einem Postskriptum gestand er ein: Dieser Brief ist nicht von mir. Mein Kollege Franz Josef Wagner hat ihn an Sie in der BILD-Zeitung geschrieben. Ein deutscher Journalist also, dem unsere Innenpolitik völlig wurscht ist. Was wohl die Voraussetzung sein muss, wenn man so schreibt.

Armin Thurnher ist zum Polit-Mozart vor allem der Neofeschist eingefallen, womit er an die Wiederholung eines österreichischen Phänomens erinnert, aber auch daran, dass Kurz keineswegs zu jung ist, um eine Sünde zu begehen. Ist doch die Übernahme der freiheitlichen Wahlkampfstrategie eindeutig ein Fall von ungeistigem Diebstahl.

Als sich keine größere Empörung über Thurnhers Sakrileg an dem Mann ohne Sünden einstellen wollte, sprang wenigstens "Österreich" ein. Wirbel um "Falter"-Cover: Kurz als "Neofeschist", hieß es da, wobei als Wirbelentfacher ein gewisser Wolfgang Rosam genannt wurde, der in "Österreich" öfter Auftritte hat.

Das Blatt zitierte aus einem Twitter Rosams an Armin Thurnher: SK als Neofaschisten (sic) zu bezeichnen ist dein/euer journalistischer Tiefpunkt und eine gefährliche Verharmlosung! Wenn Neofasch/feschist für Kurz eine Verharmlosung ist, wie gefährlich ist er dann wirklich? (Günter Traxler, 21.10.2017)