Wenn der Shitstorm erst einmal in Gang gesetzt wurde, ist das Image kaum mehr zu retten.

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Wien – Nachdem eine Cola-Dose in ihrer Hand explodiert war, hatte sich Barbara H. per E-Mail an den Getränkehersteller gewandt. Dieser versprach ihr eine Aufklärung des Falles, die H. nie erhielt. Coca-Cola versicherte zwar auf Nachfrage, H. wegen der Details des Unfalls kontaktiert zu haben. Die E-Mail ist bei der Niederösterreicherin jedoch nie angekommen. Möglicherweise liegt die Schuld beim Spam-Ordner.

Worauf Coca-Cola jedoch sehr schnell und sehr zuvorkommend reagierte, war dieselbe Beschwerde auf der Facebook-Seite des Unternehmens. "Mir ging es nicht um eine Entschädigung, sondern darum, dass Coca-Cola diesen Vorfall ernst nimmt. Wenn eine Blechdose einfach so in der Hand explodiert, ist das gefährlich", sagt die Betroffene.

Erfolgreicher Druck auf Firmen

Die Social-Media-Expertin Judith Denkmayr weiß den Grund für die schnellere und lösungsorientierte Reaktion: "Soziale Medien sind sichtbar. Andere Nutzer könnten Beschwerden aufgreifen und dadurch weitere Aufmerksamkeit erregen. Diese öffentliche Exposition übt klarerweise Druck auf die Firmen aus."

Große Unternehmen bestätigen das. Bei der Supermarktkette Billa und Coca-Cola beispielsweise gibt es interne Richtlinien dazu, innerhalb welcher Zeit ein Facebook-Posting beantwortet werden sollte – und die besagen: binnen weniger Stunden. Bei einem E-Mail-Verkehr wird meist eine "formalere" Sprache benutzt, was die Zeitspanne für die Beantwortung einer Zuschrift völlig anders definiert, stimmen sowohl Billa als auch Coca-Cola überein.

Schreckgespenst

Die Lektion, dass ein Shitstorm, also das lawinenartige Auftreten negativer Kritik via Web, nicht nur ein Produkt, sondern das Image des ganzen Unternehmens treffen kann, haben die meisten mittlerweile begriffen. Dabei war es dieses Schreckgespenst, das viele Unternehmen erst dazu brachte, in sozialen Netzwerken aktiv zu werden.

Das Thema Social Media löste bei vielen heimischen Firmen anfänglich Berührungsängste aus. "Viele Social-Media-Berater machten sich diese Hemmungen zunutze. Sie konfrontierten Firmen mit einem potenziellen Shitstorm, der hinter ihrem Rücken passieren könnte", erzählt Denkmayr.

Beispiel David Carroll

Beliebtes Beispiel für einen derartigen Shitstorm sei damals der Song United Breaks Guitars des kanadischen Musikers David Carroll gewesen. In dem Lied beschreibt der Sänger, wie Mitarbeiter von United Airlines seine Gitarre während des Einladens ins Flugzeug zerstörten. Das Lied verwandelte sich über Nacht zum Youtube-Hit. "So etwas könne auch im eigenen Unternehmen passieren, argumentierten Berater und verschafften sich somit Aufträge für den Social-Media-Auftritt diverser Firmen."

Selbst große Unternehmen haben sich bei den ersten Schritten von Social-Media-Insidern helfen lassen. "Für die Olympischen Winterspiele 2006 haben wir Blogger eingeladen und eine Wohnung gemietet, um ein Gespür für das Thema und die Herangehensweise zu bekommen", erinnert sich der Coca-Cola-Unternehmenssprecher Philipp Bodzenta. Danach hat Coca-Cola eine eigene Social-Media-Strategie entwickelt. In mittel- und osteuropäischen Niederlassungen gibt es für jedes Land je einen Social-Media- und einen Community-Manager.

Bei Billa ist die Situation ähnlich, der Lebensmittelhändler beschäftigt zwei Personen, die sich ausschließlich Social Media widmen. Insgesamt sind laut Statistik 53 Prozent der heimischen Firmen in sozialen Netzwerken aktiv.

Stellenwert im Marketing

Insbesondere Unternehmen, die direkt mit Konsumenten zu tun haben (B2C), können es sich eigentlich nicht mehr leisten, auf Social Media zu verzichten. Allein 3,6 Millionen Österreicher verbringen täglich rund eine Stunde auf Facebook. "Als Unternehmen möchte ich dort aktiv sein, wo ich schnell möglichst viele Menschen erreichen kann", sagt Denkmayr. Werbung auf Facebook setze zudem, verglichen mit altbekannten Marketinginstrumenten wie Radio, Print oder TV, relativ wenig Know-how voraus. Grundsätzlich braucht es lediglich ein Bild, einen kurzen Text und ein Budget von zwei bis fünf Euro, um eine Anzeige zu schalten. "Das ist vor allem für kleine Unternehmen ein Segen und gab es vor Social-Media-Zeiten in dieser Form nicht."

Diese neue Kommunikationsform erlaube es, mit Kunden auf Augenhöhe zu interagieren, meint Billa-Sprecher Paul Pöttschacher. "Wir können dadurch viel besser auf die Wünsche und Sorgen der User eingehen."

Auch bei Coca-Cola zeigt man sich von der neuen Kommunikationsform begeistert: "Wir können Anfragen, aber auch Beschwerden sehr schnell personalisieren und darauf reagieren. Darüber hinaus lässt sich die Unternehmenskommunikation viel zielgruppenspezifischer ausgestalten. Inhalte können maßgeschneidert werden", sagt die Social-Media-Managerin von Coca-Cola, Sandra Kaliszewski.

Das ganze Spektrum zählt

Worin sich Billa und Coca-Cola ebenfalls einig sind, ist die Notwendigkeit einer 360-Grad-Kampagne. Es müsse das ganze Spektrum abgedeckt werden, TV-, Print- und Radiowerbung dürften keinesfalls vernachlässigt werden.

Bei der Coca-Cola-Tochter Fanta hat man erkannt, dass es kaum zu schaffen ist, mit Trends und Entwicklungen der Jugend mitzuhalten. "Deshalb haben wir die Social-Media-Kommunikation in die Hände von Teenagern gelegt. Gusi (16) und Celina Blogsta (18) sind Youtuber und gestalten unsere Social-Media-Kommunikation entscheidend mit", betont Kaliszewski. (Andreas Danzer, 21.10.2017)