Der Niederländer Steven Engelsman bleibt noch bis Ende des Jahres Direktor des Weltmuseums.

Urban

STANDARD: Was waren die größten Herausforderungen bei der Neuaufstellung des Weltmuseums?

Engelsman: "Killing your darlings." Wir haben so viele gute Sammlungen, so viele gute Geschichten zu erzählen, und das geht sich in 14 Sälen nun einmal nicht aus. Übrigens auch nicht in 19, wie vor der Redimensionierung. Man muss auch schöne Geschichten und Sammlungen liegen lassen. Die warten im Depot.

STANDARD: Sie sprechen die Verkleinerung der ursprünglichen Ausbaupläne aufgrund des Hauses der Geschichte an. Konnten Sie diese Planänderung wettmachen?

Engelsman: Zum Teil. Was mich sehr freut, wir können nun doch im Februar 2018 einen Korridor des Staunens 2.0 eröffnen, in drei Ausstellungssälen im Hochparterre. Damit entsteht ein flexibles Ausstellungsmodul für große Auswahlen von Sammlungen aus dem Depot. Dieser Korridor wäre beinahe nicht möglich gewesen.

STANDARD: Wodurch zeichnet sich die Wiener Sammlung im Vergleich zu anderen besonders aus?

Engelsman: Es ist die Breite der Sammlung, insbesondere die der Habsburgerzeit. Und deren Zustandekommen. In anderen Ländern sind es die Sammlungen aus den eigenen Kolonien, die die Völkerkundemuseen wichtig machen. Hier sind es Ankäufe und Geschenke an den Kaiser.

STANDARD: Dennoch liegt über jedem Völkerkundemuseum der Schatten des Kolonialismus. Wie sind Sie damit umgegangen?

Engelsman: Allen Kuratoren war es ein Anliegen, dieses Thema gut anzusprechen. Da brauchte gar nicht viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wir haben einen eigenen Kolonialismussaal, der wirklich ein Alleinstellungsmerkmal ist.

STANDARD: Wie tief waren die Habsburger in die Kolonialgeschichte verstrickt?

Engelsman: Sie haben am Rande ziemlich mitgemischt. Beim Wiener Kongress wurde die Welt neu aufgeteilt, und damit die Kolonien neu vergeben. Beim Berliner Kongress 1884/85 hat Österreich-Ungarn die Teilung Afrikas mit in die Wege geleitet und dem König Leopold von Belgien zum Beispiel den Kongo überlassen. Eigene Kolonien hat es nicht gegeben, da hat Österreich wohl die Verwaltungskapazität dazu gefehlt.

STANDARD: Kritik gibt es derzeit an den Machern des völkerkundlichen Humboldt-Forums in Berlin. Was läuft dort schief?

Engelsman: Ein zu großes Projekt mit zu vielen Spielern. Der Kolonialismus wird nicht in einem separaten Saal behandelt, sie wollen es irgendwie miterzählen. Da kann passieren, dass man es gar nicht sieht. Außerdem gliedern sie nach Regionen, so wie es in den früheren Völkerkundemuseen üblich war. Wir sind nach Köln und Basel erst das dritte Museum, das thematische Zugänge wählt.

STANDARD: Wie gehen Sie mit Provenienz und Restitution um?

Engelsman: Die Sammlung wurde von der KHM-Provenienzstelle sehr gut erforscht. Es gab auch schon Restitutionsfälle. Ein neues Projekt läuft derzeit mit Nigeria, wo wir Objekte austauschen und in die Rotation schicken wollen. Das ist sicher zukunftsweisend.

STANDARD: Sie werden das Museum planmäßig mit Jahresende verlassen. Ihr Stellvertreter Christian Schicklgruber wurde von KHM-Chefin Sabine Haag ohne Ausschreibung für drei Jahre bestellt. War das in Ihrem Sinne?

Engelsman: Der Unmut rund um seine Bestellung ist schade. Schicklgruber ist ein ausgewiesener Fachmann und wird ein guter Direktor sein. Das Haus verdient aber auch, wie von KHM-Direktorin Haag ursprünglich geplant, eine internationale Ausschreibung. Die wird es in drei Jahren geben, und es liegt dann am neuen KHM-Chef Eike Schmidt, eine Entscheidung zu treffen.

STANDARD: Im Reformpapier Weißbuch Bundesmuseen empfehlen Experten, das Weltmuseum aus dem KHM-Museumsverband herauszulösen. Würden Sie das begrüßen?

Engelsman: Das habe ich auch gelesen. Aber es ist dennoch jetzt kein Thema.

STANDARD: Welchen Rat würden Sie der Kulturpolitik hinsichtlich aller Projekte im Raum Heldenplatz/Neue Burg geben?

Engelsman: Versucht dem Heldenplatz eine zentrale museale Bedeutung zu geben und ihn so einzurichten, wie es ursprünglich fürs Kaiserforum geplant war! Und ja, baut ein neues Haus der Geschichte, am besten dort, wo jetzt die temporären Pavillons des Parlaments stehen! (Stefan Weiss, 23.10.2017)