Thomas Klestil musste sich im Jänner 2000 als Bundespräsident fügen und die FPÖ als Regierungspartner angeloben. Den Pakt zwischen Wolfgang Schüssel und Jörg Haider quittierte er mit eisiger Miene.

Foto: APA/Schneider

Wien – "Ich täte es nicht", sagte Alexander Van der Bellen im September 2015 auf die Frage, ob er die FPÖ als Regierungspartei angeloben würde. Der damals noch Grüne kokettierte zu dieser Zeit noch mit der Überlegung, ob er als Präsidentschaftskandidat antreten werde. Später schwächte er seine Aussage ab und meinte, das sei eine "sehr hypothetische Frage", er hoffe nicht, dass die Wähler die FPÖ zur stärksten Fraktion machen würden.

Als sich Van der Bellen im Jänner 2016 schließlich entschloss, als Präsidentschaftskandidat ins Rennen zu gehen, wurde er immer wieder darauf angesprochen, ob er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler angeloben würde. Selbst wenn die FPÖ stärkste Kraft würde, so argumentierte Van der Bellen in den folgenden Monaten, gebe es für den Bundespräsidenten keine Verpflichtung, dieser das Amt des Bundeskanzlers zu überlassen. "Der Bundespräsident wird schon ein Mindestmaß an Vertrauen in die Regierung, die er anzugeloben hat, haben müssen. Sonst wird er alles tun, um eine andere Bundesregierung anzugeloben", sagte Van der Bellen im Jänner 2016.

Kein Grüßaugust

Nicht nur Strache als Kanzler, sondern auch der FPÖ als Koalitionspartner stehe er skeptisch gegenüber: "Schwer vorstellbar", sagte er und verwies auf europafeindliche Aussagen. "Der Bundespräsident ist kein Grüßaugust", erläuterte Van der Bellen etwas später, "der hat nicht einfach hinzunehmen, was immer im Parlament passiert." Er hätte "größte Bedenken", einer Partei die Kanzlerschaft zu übertragen, die das vereinte Europa untergraben wolle. "Mir geht es in dieser Frage nicht um die Person Strache, mit dem ich viele Zigaretten im Raucherkammerl des Parlaments geraucht habe", betonte er. Er wolle "Schaden von Österreich" abwenden.

Versuch von Klartext

Als Van der Bellen schließlich im ersten Durchlauf zum Bundespräsidenten gewählt wurde, versuchte er noch einmal Klartext zu sprechen: "Die FPÖ spielt mit dem Feuer", sagte er mit Blick auf deren EU-feindlichen Kurs. Daher würde er den Freiheitlichen nicht den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen.

Zu einer wirklich einheitlichen Linie fand Van der Bellen allerdings nicht. Im Oktober vergangenen Jahres sagte er zu einer allfälligen Angelobung von Strache: "Ja Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrigbleibt."

Klestil in der Klemme

Vor einer ähnlichen Situation stand Anfang 2000 auch der damalige Bundespräsident Thomas Klestil, der zwar die SPÖ mit einer Regierungsbildung beauftragt hatte, von ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel aber vor vollendete Tatsache gestellt wurde: Schüssel, der bei der Wahl Dritter geworden war, vereinbarte nach dem Scheitern der Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP eine Regierungskoalition mit der FPÖ und teilte dies dem Bundespräsidenten mit. Klestil, der die FPÖ nicht in der Regierung haben wollte, musste sich fügen, da seine mögliche Weigerung, die Regierung zu ernennen, eine Staatskrise herbeigeführt hätte. Klestil lehnte allerdings zwei FPÖ-Kandidaten, Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas, für Ministerämter ab und verlangte von den neuen Koalitionspartnern die Unterzeichnung einer Präambel zur Festschreibung demokratischer und europäischer Werte. Die Vereidigung der Regierung am 4. Februar 2000 nahm Klestil mit demonstrativ eisiger Miene vor. (völ, 23.10.2017)