Christian Kern will einen Prozess zur Neuaufstellung der SPÖ starten.

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Noch-Kanzler Christian Kern und Kanzleramtsminister Thomas Drozda auf dem Weg zum SPÖ-Präsidium.

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Wien – Christian Kern trotzt den widrigen Umständen. Ohne Schirm tritt der Kanzler vor die Kameras, lässt sich den Schnürlregen gegen die Wange peitschen – und verspricht, auch politisch jedem Gegenwind die Stirn zu bieten: Er und niemand anderer werde die SPÖ als Parteichef in die Opposition führen.

Die anderen hohen Genossen, die sich an diesem Montagvormittag im Ausweichquartier des Parlaments zur Sitzung des SPÖ-Präsidiums treffen, zeigen sich diesbezüglich genauso wetterfest. Einer nach dem anderen versichert den Journalisten, dass die Sozialdemokraten selbstverständlich mit Kern an der Spitze weitermachen würden. Stellvertretend sagt Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der mit der Linie des Bundeschefs in der Debatte um eine mögliche rot-blaue Koalition keine Freude gehabt hat: "Weder die Medien noch die ÖVP suchen sich den SPÖ-Vorsitzenden aus."

Die SPÖ stellt die Weichen, um von der Regierungs- auf die Oppositionsbank zu wechseln. Nach dem Treffen von Parteipräsidium und Vorstand stellt die SPÖ-Spitze auch klar, dass Christian Kern SPÖ Chef bleiben wird. "ZiB 1"-Beitrag.
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Rühren die Spekulationen über eine Ablöse Kerns – wie dieser selbst mutmaßt – also nur daher, dass die ÖVP die Sozialdemokraten als zerstrittenen Haufen hinstellen will, um eine Koalition mit der FPÖ zu legitimieren? Wer in die roten Reihen hineinhört, stößt auf Gerüchte, aber keine handfesten Indizien. In Gewerkschaft und Arbeiterkammer wolle so mancher unbedingt die Regierungsbeteiligung erhalten, heißt es, weil sonst die Demontage der Sozialpartnerschaft drohe. Aus dieser Sicht sei auch die Rolle des Juniorpartners unter Sebastian Kurz besser als die Opposition – und dafür müsste der Parteichef gehen. Kurz hat schließlich bereits einen Pakt mit Kern ausgeschlossen, außerdem würde sich der amtierende Kanzler diese Demütigung selbst nicht antun wollen.

Theorien mit Haken

Allerdings hat diese Theorie mehrere Haken. Erstens sind die roten Gewerkschafter in der Koalitionsfrage selbst nicht einer Meinung, zweitens zeichnet sich Schwarz-Rot ohnehin nicht ab. Kern hin oder her: Kurz macht keinerlei Anstalten, sein Heil in dieser derart diskreditierten Koalitionsvariante zu suchen.

Deutlicher sind in der Gewerkschaft Stimmen für Rot-Blau zu vernehmen. Doch für eine solche Koalition ist Kern nicht per se ein Hindernis. Außerdem gilt hier ebenso: Die Chance ist minimal.

Als einer, der an Kerns Sessel sägen könnte, wird auch Hans Peter Doskozil gehandelt. Doch selbst wenn dieser – was höchst fraglich ist – eine Mehrheit in der Partei zusammenbringen würde: Ist es für den Noch-Verteidigungsminister erstrebenswert, im Parlament den Oppositionsführer zu spielen? Für Doskozil könnte sich eine andere Möglichkeit anbieten: ein baldiger Wechsel in die burgenländische Landesregierung, um 2020 dann Landeshauptmann Hans Niessl abzulösen.

Klubchef mit Exitstrategie

Präsidium und Vorstand der SPÖ beschlossen am Montag erst einmal klipp und klar: Sollte sich das Wunder einer Regierungsbeteiligung nicht doch noch einstellen, heißt der Klubobmann im Parlament Christian Kern. Dieser will einen Prozess zur Neuaufstellung der SPÖ starten, um diese als Gegengewicht zum "Spektakel" der "Brot- und Spiele-Politik" von ÖVP und FPÖ positionieren.

Andreas Schieder muss dafür auf den Posten des geschäftsführenden Klubchefs weichen, kann aber auf eine Exitstrategie hoffen: Er könnte Häupl als Bürgermeister folgen.

Weitere Personalentscheidungen: Doris Bures ist wieder Nationalratspräsidentin, aber nur mehr Zweite statt Erste. Die bisherigen Minister Pamela Rendi-Wagner und Thomas Drozda werden in den Nationalrat einziehen, kein Platz geht sich hingegen für die Gewerkschafter Rainer Wimmer (Metall-Textil-Nahrung) und Renate Anderl (Frauenchefin) aus.

Keine Belohnung gibt es für Christoph Matznetter, der im Wahlkampf als neuer Bundesgeschäftsführer Troubleshooter spielte. Für ihn hätte Mario Lindner, bisher im Bundesrat, auf sein Mandat verzichten müssen. Dies geschah nicht: Matznetter bleibt somit draußen. (Gerald John, 23.10.2017)