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Ist das Emily? Oder Diane? Oder Sayesha?

Foto: REUTERS/Brian Snyder

Das Ärgerlichste an Emily ist, dass sie nicht zuhören kann. Man kommt nicht zu Wort, hat keine Chance, ihren Monolog zu unterbrechen, obwohl sie anfangs auf sympathische Weise zerstreut wirkt. "Hello?", fragt sie, es folgt eine Pause, dann ein ausgemacht freundliches "Hi there" zur Begrüßung, bevor sie sich nach der nächsten Kunstpause dafür entschuldigt, dass sie offenbar ein kleines Problem mit ihren Kopfhörern hat. "Wie auch immer, mein Name ist Emily."

Irgendwann wird Emily aus dem Callcenter sagen, sie rufe an, weil man doch schon mal ein paar schöne Urlaubstage in einem Ferienclub ihrer Kette verbracht habe. Und dass ihre Kette die Treue des Kunden belohne, indem sie nunmehr ein echtes Urlaubsschnäppchen anbiete. Zu 75 Prozent Rabatt. Auf den Einwand, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse, weil man die Kette doch gar nicht kenne, geschweige denn deren Ferienclubs, geht sie nicht ein. Sie plaudert munter weiter, bis man Interesse signalisiert, und sei es auch nur, um zu testen, ob sich ihr Redefluss stoppen lässt.

Immer eine andere Vorwahl

Beim ersten Mal, als sich Emily meldete, landete ich irgendwann bei einem Ferienclubvertreter, der mir einen Platz an der Sonne verkaufen wollte, unter Palmen, versteht sich. Wahrscheinlich, so genau weiß ich das nicht mehr, zu horrend überteuerten Preisen. Beim nächsten Mal legte ich schon auf, als der Satz mit den Kopfhörern kam. Am einfachsten wäre es, gar nicht erst ranzugehen, wenn Emily in der Leitung ist, schließlich flimmert ihre Nummer übers Display. Nur ist es eben nie dieselbe Nummer, sondern mal eine mit kalifornischer, mal eine mit texanischer, mal eine mit iowanischer Vorwahl. Sie sind raffiniert, die Techniker, die Telefonkunden die Nerven rauben, indem sie Emilys netten Vortrag, einmal aufgezeichnet, roboterhaft vom Band abspielen.

Robocall heißt die Plage, die natürlich nicht nur in Amerika grassiert. Aber hier offenbar ganz besonders. Die Verbraucherschützer der Federal Trade Commission, kurz FTC, einer Bundesbehörde, ließen erst neulich wissen, dass es, rein quantitativ gesehen, in ihrer Arbeit kein größeres Ärgernis gibt als die Robocalls. Allein im vergangenen Jahr gingen deswegen 5,3 Millionen Beschwerden bei der FTC ein, das waren 1,7 Millionen mehr als im Jahr davor. Woran sich bereits der Trend ablesen lässt. Obwohl es Listen gibt, auf die man seine Telefonnummer setzen lassen kann, damit einen die Emilys dieser Welt in Ruhe lassen.

Die Rufen-Sie-mich-nicht-an-Kartei

Meine steht schon seit Jahren, neben aktuell 226 Millionen anderen, im "Do Not Call Registry", in der Rufen-Sie-mich-nicht-an-Kartei. Was allerdings nicht das Geringste bewirkt. Dem Vernehmen nach gibt es in der Telefonmarketing-Branche zwar Leute, die solche Listen durchaus ernst nehmen, zumal es teuer werden kann, wenn sie es nicht tun und erwischt werden. Im Juni ist Dish Network, ein Satellitenfernsehanbieter, von einer Richterin in Illinois zu einer Strafe von 252 Millionen Dollar verdonnert worden. Die Firma hatte in 66 Millionen Fällen Menschen mit Robocalls genervt, deren Anschlüsse im "Do Not Call"-Register verzeichnet waren. Time Warner, der Medienriese, musste einer Texanerin 229.500 Dollar Schadensersatz zahlen, für 153 unerwünschte Anrufe.

Nur scheint das die vielen schwarzen Schafe der Sparte in keiner Weise zu beeindrucken. Folgt man einem Washingtoner Rechtsberater namens George Slover, dann liegt es daran, dass die Nervensägen, oft sind es schlicht Betrüger, im Ausland sitzen, womit amerikanisches Recht für sie nicht gilt. Wobei sie es dennoch irgendwie hinkriegen, auf dem Display eine kalifornische, texanische, iowanische Nummer aufscheinen zu lassen.

"Kundenbelohnungszentrum"

Jedenfalls nimmt es kein Ende. Da ist Diane, die unbedingt unsere Teppiche reinigen möchte. Da ist Sayesha vom "Kundenbelohnungszentrum", die einem herzlich gratuliert zu einer gerade gewonnenen Kreuzfahrt Richtung Bahamas. Und einen, sofern man dranbleibt, mit Adam verbindet, der das Kleingedruckte regelt und als Erstes auf einen kleinen Wermutstropfen zu sprechen kommt. Das Einzige, was Glückspilze wie unsereiner berappen müssten, flötet er, sei eine staatliche Hafengebühr, 59 Dollar, verglichen mit dem Wert der geschenkten Reise ein Klacks. Als Nächstes kommt unweigerlich die Frage nach der Kreditkartennummer.

Der in eindrucksvollem Oberlehrerton drohende Beamte des Finanzamts, ein Mann, der unsere Stromrechnung zu hoch findet und sie zu senken verspricht, ein dem Englisch-Akzent nach in Indien zu verortender Computervirendoktor – die Aufzählung ließe sich noch eine Weile fortsetzen.

George Slover, der Verbraucherschützer, rät tatsächlich dazu, gar nicht erst ranzugehen, wenn man eine Nummer sieht, die man nicht kennt. Wer antworte, und sei es nur kurz, riskiere eine wahre Lawine weiterer Anrufe. Ganz wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, Slovers Empfehlung zu folgen. Was, wenn sich jemand meldet, der wirklich Wichtiges mitzuteilen hat? (Frank Herrmann aus Washington, 26.10.2017)