Marine Le Pen wurde im Sommer 2016 nach Vösendorf eingeladen, um mit ihr über die Zukunft der EU zu beraten.

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Mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders traf Strache im Jänner 2016 bei einem Kongress in Mailand zusammen.

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Gemeinsames Biertrinken mit Frauke Petry am 10. Juni 2016 auf der Zugspitze. Mittlerweile hat Petry die AfD verlassen, sie war ihr zu rechts.

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Wien – Hört man FPÖ-Spitzenvertretern dieser Tage zu, lassen sie keine Zweifel an der "proeuropäischen" Ausrichtung ihrer Partei aufkommen. "Dieses klare Bekenntnis zu Europa gibt es von uns Freiheitlichen", erklärte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erst wieder am Dienstagabend im ORF-"Report".

Ein solches verlangt bekanntlich Bundespräsident Alexander Van der Bellen von jeder künftigen Regierungspartei, und es ist auch für ÖVP-Chef Sebastian Kurz eine Grundvoraussetzung, die ein Koalitionspartner zu erfüllen habe.

Geänderte Tonalität

Die Tonalität der blauen Europapolitik war in den vergangenen Jahren freilich einem deutlichen Wandel unterworfen. DER STANDARD ruft einige Aussagen und Positionen der FPÖ aus früheren Jahren in Erinnerung.

Beispiel Brexit: Als die Briten im Vorjahr für den Austritt aus der Europäischen Union stimmten, gratulierte die FPÖ noch zur "wiedererlangten Souveränität". "Sollte die EU an ihrer Reformunwilligkeit weiter erlahmen und auch noch Länder wie die Türkei hereinholen, dann ist auch für Österreich eine Abstimmung über den weiteren Verbleib in der EU eine politische Zielerklärung", erklärten Strache und EU-Mandatar Harald Vilimsky am 24. Juni 2016.

"Brexit erst der Beginn"

FPÖ-Europasprecher Udo Landbau, der nun Spitzenkandidat bei der niederösterreichischen Landtagswahl 2018 wird, kommentierte noch deutlicher: "Der Brexit ist längst nicht das Ende der Fahnenstange, sondern erst der Beginn! Den Eurokraten muss endlich aufgezeigt werden, dass es in dieser Form nicht weitergehen kann und darf." Und: "Auch Österreich muss in diesem Falle ein deutliches Zeichen setzen!"

Für erheblichen Wirbel sorgte kurz darauf der damals im Präsidentschaftswahlkampf steckende Norbert Hofer, der nun für ein Ministeramt gehandelt wird. In einem Interview mit "Österreich" plädierte er für klare Reformen binnen zwölf Monaten und kokettierten mit einem Öxit: "Wenn man die Weichen innerhalb eines Jahres mehr in Richtung Zentralismus stellt, anstatt sich auf die Grundwerte zu besinnen, dann müssten wir die Österreicher fragen, ob sie hier noch Mitglied sein wollen."

Kein Öxit

Als sich sein damaliger Gegner Van der Bellen auf diese Aussage einschoss, ruderten Hofer und die FPÖ nach und nach zurück. "Ich will nicht, dass Österreich aus der EU austritt", erklärte Hofer danach und fügte hinzu: "Weil es ein Fehler wäre." Allerdings, und daran erinnerte auch Van der Bellen: Wenige Monate zuvor hatte die FPÖ sogar im Nationalrat einen Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung zum EU-Austritt eingebracht.

Dass die Briten "nach Abschluss des Brexits wahrscheinlich besser dastehen" werden, davon ist Strache allerdings auch heute noch überzeugt. Zumindest erklärte das der FPÖ-Chef im aktuellen Nationalratswahlkampf.

Etwas gewandelt hat sich auch der blaue Umgang mit anderen europäischen Rechtsparteien. Im Mai 2014, damals wurde noch über die Bildung einer gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament verhandelt, erklärten Strache und Front-National-Chefin Marine Le Pen noch gemeinsam, die Bevölkerung über einen Verbleib oder Austritt aus der EU befragen zu wollen. "Ja, selbstverständlich bin ich dafür, die Österreicher über einen Austritt zu befragen", sagte Strache damals zum "Kurier".

Intensive Kontakte zu Le Pen und AfD

Unmittelbar vor dem Brexit-Votum wurden neben Le Pen noch diverse Rechtsaußenvertreter der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) in die Pyramide Vösendorf eingeladen. Le Pen warb dort für Austrittsabstimmungen in allen EU-Staaten. Zur gleichen Zeit wurden auch die Kontakte zur Alternative für Deutschland (AfD) intensiviert, die noch im aktuellen Wahlprogramm dafür warb, "dem Beispiel Großbritanniens zu folgen und aus der bestehenden EU auszutreten", sollte die Zurückführung der EU auf einen Staatenbund souveräner Staaten nicht gelingen.

Medial groß inszeniert wurde im Juni 2016 ein Treffen Straches mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry auf der Zugspitze. Ziel der Übung: die Zusammenarbeit in gemeinsamen Arbeitsgruppen zu vertiefen. Innerparteilich waren derartige Treffen aber nicht ganz unumstritten. Oberösterreichs FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner deponierte im Dezember 2016 seine Skepsis hinsichtlich enger Kontakte zu Le Pen und der AfD: "Das schreckt so manche ab." Mittlerweile hat Petry die AfD längst wieder verlassen, ihr war der Kurs zu extrem. Strache spricht heute von "Geburtswehen" bei der AfD.

Austritt lange kein Tabu

Der sanfte Schwenk lässt sich auch in den schriftlichen Programmen der FPÖ nachvollziehen. Im Wahlprogramm 2008 war noch nachzulesen, dass EU-Austrittsüberlegungen kein Tabu sein dürften. Ähnlich das Wording bei der Wahl 2014. Damals wurde auf den Leitantrag, der beim FPÖ-Bundesparteitag am 7. Dezember 2013 beschlossen wurde, verwiesen. Inhalt: Ein Austritt sei als "Ultima Ratio" kein Tabu, sollte der Kurs der Union nicht geändert werden.

Im aktuellen Wahlprogramm wurde diese Frage elegant umschifft. Austrittsgedanken wurden nicht mehr formuliert. Allgemein heißt es: "Wir Freiheitlichen treten für eine Neuordnung und Reform des europäischen Vertragswerks ein, wodurch insbesondere die historischen Fehlentwicklungen des Maastricht- und des Lissabon-Vertrages rückgängig gemacht werden."

Friedensprojekt EU

Im blauen Wirtschaftsprogramm klingt das Ganze noch etwas freundlicher: "Die FPÖ bekennt sich zur Europäischen Union als Friedensprojekt ebenso wie als funktionierende, die Unternehmen in den einzelnen Mitgliedsstaaten fördernde Wirtschaftsgemeinschaft." Es bedürfe "jedoch umfangreicher Reformen, wenn nicht gar völliger Neuaufstellungen in verschiedenen Bereichen".

In welche Richtung die Neuaufstellung gehen könnte, das lässt sich im blauen EU-Programm nachlesen. Dort wird etwa eine "zwingende Volksabstimmung in Österreich über den Verbleib im 'Europäischen Stabilitätsmechanismus' (ESM)" gefordert. Bei "Nichtstabilisierung des Euro" wird eine "rasche Restrukturierung der Eurozone durch Austritt der schwachen Volkswirtschaften" vorgeschlagen. Auch eine "Volksabstimmung über die Mitgliedschaft am Schengen-Raum" steht noch immer auf der offiziellen Forderungsliste.

Strache für EU-Armee, FPÖ auch?

Für Aufsehen sorgte Strache im Februar, als er sich klar für die Einrichtung einer eigenen EU-Arme aussprach. "Machen wir doch eine europäische Verteidigungsarmee, schauen wir, dass wir selbst unsere Verteidigung sicherstellen." Auch Österreich könnte sich daran beteiligen, freilich nur unter Beibehaltung der Neutralität, so Strache damals, der noch hinzufügte, auch Atomwaffen sollten "selbstverständlich" Teil der europäischen Verteidigungspolitik sein.

Die ÖVP begrüßte damals den blauen Kurswechsel. Im aktuellen FPÖ-Wahlprogramm klang das allerdings ohnehin schon wieder anders. "Die Wehrpflicht ist aufrechtzuerhalten, und eine Beteiligung des Bundesheers an einer EU-Armee ist – Auslandseinsätze unter UN-Mandat ausgenommen – mit unserer Neutralität unvereinbar", war dort zu lesen. (Günther Oswald, 26.10.2017)