Seit Oktober bildet die Code University in Berlin 88 Studierende aus. Sie setzten sich unter 200 Bewerbern in einem aufwändigen Auswahlverfahren durch.

Foto: Code University Berlin

Hohe Sichtbetonwände, große Fenster, freiliegende Lüftungsrohre: Die Räume der Berlin Factory in einer ehema ligen Gummifabrik entsprechen dem beliebten Industriechic der Start-up-Szene. Uber, Twitter und Soundcloud arbeiten hier. Und seit Oktober bildet die Code University hier 88 Studierende zu den nächsten digitalen Pionieren aus. Die Code ist eine private, staatlich akkreditierte Fachhochschule, gegründet von Thomas Bachem, der mit 31 Jahren schon eine Million auf dem Konto und mehrere Internetfirmen gegründet und verkauft hat.

Mit den drei Bachelorstudien Software Engineering, Digitales Produktmanagement und Interaction Design will Bachem nicht Gewinn machen, sondern "zeigen, dass Uni auch anders ablaufen kann". Konkret heißt das: keine Theorien in Vorlesungen lernen, die am Ende abgeprüft werden, sondern in Seminaren Apps, Webseiten und Hardware entwickeln. Keine Nerds, die allein programmieren, sondern Teamarbeit. Keine Noten, sondern Kompetenzbereiche.

Fünf Millionen Euro

Das dürfte gut ankommen: 2000 Bewerber gab es. Bachem und sein Team nahmen nicht nur Personen, die in Einsen und Nullen denken, sondern auch Bewerber ohne Informatikkenntnisse, denn was genauso zählt, ist Kreativität. Programmieren lernen sie ohnehin.

Die Hälfte der Studierenden der Code hat einen Abschluss in einer anderen Disziplin oder ihr Studium, oft Informatik, abgebrochen, weil es nicht den Erwartungen entsprach, sagt Bachem. Auch in Österreich bricht, laut Ubit, einem Fachverband der Wirtschaftskammer, rund jeder Zweite das Informatikstudium in den ersten beiden Semestern ab. "Es reicht nicht mehr, Grundlagen zu vermitteln. Wir brauchen auch spezialisierte Studien, die Softwareentwicklung lehren. Nur so können wir in Europa den Anschluss in der digitalen Branche wiedergewinnen", sagt Bachem.

Mit Dozenten und Geldgebern aus der IT-Branche will er das erreichen. Er konnte etwa Trivago, Facebook, Zalando und Xing für die Code begeistern. Knapp fünf Millionen Euro Budget hat er gesammelt und selbst 400.000 Euro beigesteuert. Damit halten die Investoren einen Anteil von einem Drittel der Hochschule, der Rest ist im Eigentum der Gründer.

Kurzlebiges Praxiswissen

Gerald Futschek ist Informatikprofessor an der TU Wien und beschäftigt sich auch mit der Lehre in seinem Fach. Er findet nicht, dass Unis fern vom digitalen Wandel lehren, sie hätten aber eine andere Ausrichtung. "Wir vermitteln längerfristiges Wissen, Methoden und Theorien, die auch im Beruf angewandt werden können, da man sie auf neue Technologien umlegen kann", sagt er. Das praxisorientierte Wissen sei hingegen kurzlebiger. Für Bachem ginge lebenslanges Lernen auch anhand von Praxisbeispielen. Futschek kann dem Lernkonzept der Code dennoch etwas abgewinnen: Einerseits hätte man Absolventen, die direkt in die Wirtschaft einsteigen können, andererseits sei es sinnvoll, zuerst die Praxis und dann die Theorie zu erarbeiten, da die Studierenden so wüssten, wozu sie etwas lernen. Und Teamarbeit steigere die Motivation.

Die Projekte werden von den Professoren mit den Firmen jährlich überarbeitet, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Aber werden dann nicht nur Themen ausgewählt, die den Firmen nützen? "Wir sind für unsere Studierenden da, nicht für die Unternehmen. Es ist unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass es keinen Einfluss gibt", sagt Unikanzler Bachem. Die zusätzliche Finanzierung über Studiengebühren (aktuell rund 750 Euro pro Monat) soll auch sicherstellen, dass die Hochschule unabhängig bleibt.

Wie bewährt sie sich?

Die Code ist ein Novum in der deutschen Hochschullandschaft. Der ehemalige Präsident der European Business School, Christopher Jahns, will nächstes Jahr auch eine Privatuni im IT-Bereich eröffnen. In Europa gibt es sonst wenig Vergleichbares, bis auf die französische École 42, die aber nicht akkreditiert ist, in Österreich gibt es keine Hochschule mit diesem Ansatz. Dabei wäre der Bedarf da: Erstens, weil die Informatikstudien zugangsbeschränkt sind. Zweitens, weil Programmierer ein Mangelberuf ist und große wie kleine Firmen händeringend nach geeignetem IT-Personal suchen. Der Bedarf wird in den nächsten Jahren weiter steigen.

Eine Hochschule zu gründen bedeutet vor allem eines: Bürokratie. Jene, die das Geld dazu hätten, investierten es lieber in ein Start-up, das sei lukrativer, begründet Bachem die zaghaften Privatinitiativen im Hochschulsektor. Für Futschek liegt der Grund in einer Skepsis gegenüber Privatunis: "Diese zeichnen sich oft nicht durch die höchsten Qualitätsstandards aus, zumindest in Österreich. Wer genug zahlt, hat quasi ein Anrecht auf einen Abschluss." Wie sich die Code bewährt, zeigt sich spätestens in sechs Semestern, wenn die ersten Absolventen auf den Arbeitsmarkt drängen. (Selina Thaler, 25.10.2017)