Fahrrad, Lastenrad, E-Auto, Kombi: In der Perfektastraße kann man mieten, was man gerade braucht.

Foto: MO.point Gmbh

Wien – Die U6 und mehrere Radwege vor der Tür, dazu fünf E-Bikes, ein E-Lastenfahrrad, ein Elektroauto und ein Dieselkombi direkt in der Anlage zum Ausleihen: Die rund 230 Menschen, die im Sommer 2016 ihre neue Wohnung in einem Projekt des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW) in Wien-Liesing bezogen haben, finden dort dank eines neuen Mobilitätskonzepts durchaus Alternativen zum eigenen Auto vor. Die Akzeptanz dafür zu schaffen war und ist aber nicht so einfach – aus mehreren Gründen.

Laufende Einschulungen

Immerhin ein Drittel der Bewohner hat sich gleich beim Erstbezug für die Verwendung des hauseigenen Fuhrparks angemeldet. "Wir waren schon im Vorfeld bei diversen Infoveranstaltungen für die Mieter dabei", berichtet Stefan Melzer, Geschäftsführer der MO Point Mobilitätsservices GmbH, die die Fahrzeuge in der ÖSW-Anlage Perfektastraße 58 bereitstellt. Ab dem Tag der Schlüsselübergabe gab es Einschulungen für die Bewohner, "schließlich ist zuvor noch kaum jemand mit einem E-Auto oder einem Lastenrad gefahren".

Ein gutes Jahr später zählt man nun genau 67 Nutzer, sagt Melzer – wobei auch der eine oder andere Anrainer im Umkreis der Wohnanlage mitmacht. Für die Benützung eines der Autos werden sechs Euro pro Stunde fällig (ohne Grundgebühr, Sprit bzw. Strom sind inbegriffen), für ein Lastenrad zwei Euro, für ein E-Bike ein Euro. Diverse "Flatrates" gibt es auch: Bei den 20 Euro pro Monat und Auto sind die ersten fünf Stunden inkludiert, man erspart sich also bei entsprechend häufiger Nutzung zehn Euro.

Zutritt per Identifikationskarte

Die Räder stehen in einem eigenen Raum im Erdgeschoß, versehen mit Stromzähler und elektronischem Zutrittssystem. Buchungen erfolgen über eine App oder die Website, per Identifikationskarte hat man rund um die Uhr Zugang zu den Fahrzeugen.

Das E-Auto, ein VW Golf, sei übrigens beliebter als das Dieselauto, sagt Melzer. Allerdings hätten 72 Prozent der Bewohner nach wie vor "mindestens ein Auto", das hat eine Masterarbeit über das Projekt an der Fachhochschule IMC Krems ergeben. Und das hat sowohl die Leute vom MO Point als auch ÖSW-Chef Michael Pech doch etwas überrascht. Die 82 Stellplätze in der Tiefgarage sind dadurch zwar ziemlich ausgelastet; Pech nennt die Nutzung des Angebots aber jedenfalls "noch nicht wirklich berauschend". Er weist darauf hin, dass sämtliche Bewohner beim Einzug außerdem eine Jahreskarte der Wiener Linien bekamen, und geht davon aus, dass das Mobilitätskonzept einfach noch ein wenig Zeit braucht.

Viele Pendler

Viele der Bewohner würden aber beruflich auch "auspendeln", sagt Melzer, oft ins noch südlichere Wien, und dabei aufs Auto angewiesen sein. "In einem inneren Stadtbezirk sähe das alles wohl ganz anders aus." Immerhin würden zwölf Prozent der Bewohner mittlerweile überlegen, das eigene Auto aufzugeben, verweist er auf weitere Ergebnisse der Befragung.

Für 60 Prozent habe zudem die Nähe zur U-Bahn-Station einen sehr großen, für 32 Prozent einen großen Einfluss auf die Wohnungswahl gespielt.

Zweijährige Pilotphase

Für MO Point, das im Vorjahr mit dem VCÖ-Mobilitätspreis ausgezeichnet wurde, läuft jedenfalls noch bis 2018 eine zweijährige Pilotphase. Danach werde man sehen, wie es am Standort Perfektastraße weitergeht. Einige andere Bauträger hätten sich das Konzept aber bereits angeschaut, erzählt Melzer, und man sei auch bereits in Verhandlungen über weitere Umsetzungen, etwa in Niederösterreich und Salzburg.

Parallel dazu betreibt MO Point auch sogenannte Grätzlräder. Zwei Stationen für die E-Lastenräder gibt es bereits, seit wenigen Wochen etwa im Nordbahnhofviertel, ein dritter Standort ist für nächstes Jahr geplant. (Martin Putschögl, 28.10.2017)