Daviscup-Kapitän Stefan Koubek würde sich mehr Unterstützung für Tennis in Österreich wünschen. Leistungen wie die von Dominic Thiem müssen kein Einzelfall bleiben.

Foto: APA/Pucher

STANDARD: Dominic Thiem ist mit einem Sieg ein guter Auftakt in Wien gelungen. In den Wochen zuvor hat er oft verloren. Kann ein erfolgreiches Turnier in der Stadthalle die positive Wende bringen?

Stefan Koubek: Nach Startschwierigkeiten hat Thiem gegen Rublew sehr gut gespielt. Er ist wieder in die richtige Richtung unterwegs. Der Belag auf der Asien-Tournee war schneller, dort hat er zwei knappe Partien gegen starke Gegner verloren. Dafür muss er sich nicht schämen. Ich hoffe, er hat genug Energie für das Saisonfinish.

STANDARD: Hängt Thiem das verlorene US-Open-Achtelfinale gegen Juan Martin Del Potro doch länger nach?

Koubek: Es kann schon sein, dass ihm das nachhängt. Dominic hatte eine Riesenchance, im Viertelfinale hätte ein angeschlagener Federer gewartet. Ich wollte nach dem zweiten Satz schlafen gehen, bin dann aber leider doch aufgeblieben. Del Potro sah zu Beginn der Partie wie eine Leiche aus, am Ende zog er bei jedem Schlag voll durch.

STANDARD: Zurück nach Wien: Eine positive Überraschung lieferte Dennis Novak mit seinem Erstrundensieg in Wien, seinem zweiten auf der ATP-Tour nach Kitzbühel 2015.

Koubek: Novak hat das Potenzial für die Top 100. Ich habe vor einigen Jahren mit ihm gearbeitet, bei ihm hapert es manchmal an der Einstellung.

STANDARD: Novak ist 24 Jahre alt, sein Freund und Trainingspartner Dominic Thiem ist ihm meilenweit voraus. Ist da der Zug für eine größere Tenniskarriere schon abgefahren?

Koubek: Nein, das glaube ich nicht. Dennis trainiert sehr brav, aber hin und wieder lässt er sich hängen. Es wird Zeit, dass er sich auf Challenger-Ebene etabliert. Er spielt meiner Meinung nach schon viel zu lange Future-Turniere.

STANDARD: Einen Schritt weiter ist Sebastian Ofner, der sich in diesem Jahr um 150 Plätze auf Rang 137 in der Weltrangliste verbessert.

Koubek: Ofner hat die größten Schritte im Ranking gemacht. Er hat eine super Einstellung, konzentriert sich nach der Matura endlich voll auf Tennis. Sein Spiel wird besser, mit hohem Tempo hat er kein Problem. Seine Baustellen sind Aufschlag und Return. Das sind die zwei wichtigsten Schläge im Tennis. Da sieht man den Unterschied zur Weltklasse. Novak Djokovic hat zu seiner besten Zeit quasi jeden Return ins Feld gebracht, meistens knapp an die Linie, dann fing der Punkt erst an. Heute gibt es keine schlechten Aufschläger mehr auf der Tour. Sebastian weiß das und arbeitet hart an sich. Er ist in der Zukunft definitiv ein Kandidat für einen Einsatz im Davis-Cup.

STANDARD: Die Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres steht an. Hätte Dominic Thiem den Sieg heuer verdient?

Koubek: Mit Platz sechs steht Dominic so weit oben wie noch nie der Weltrangliste, ist zum wiederholten Mal fürs Tour-Finale in London qualifiziert. Er hat nicht so einen großen Sprung gemacht wie im Vorjahr, an der Spitze wird die Luft aber dünn. Österreich ist eine Ski-Nation, das gehört zu unserer Kultur. Damit will ich die Leistung von Marcel Hirscher nicht schmälern. Er ist eine Ausnahmesportler, wäre ein würdiger Sieger. Aber auch Dominic hätte sich die Wahl zum Sportler des Jahres verdient. Man sollte abwiegen, was er für Leistungen gebracht hat.

STANDARD: Thomas Muster versteht nicht, dass "50 Millionen Euro in den Skisport gebuttert werden und der Tennissport auf der Strecke bleibt." Ihre Meinung?

Koubek: Wenn es so ist, dass ein Rodel- oder Kletterverband mehr Förderungen bekommt als der Tennisverband, dann ist das nicht nachvollziehbar. Ich respektiere alle Sportler und Verbände, aber ich verstehe nicht, warum Tennis so vernachlässigt wird. Der Tennisverband ist der zweitgrößte Fachverband Österreichs. Der Sport ist durchs viele Reisen sehr kostenintensiv. Ein Rodler hat die Bahn vor der Haustür. Da muss man sich schon fragen, was sich die Entscheidungsträger in den Fördergremien denken. Viel kann es nicht sein.

STANDARD: Reichen die ATP-Turniere in Wien und Kitzbühel als Bühnen für Karrieresprünge heimischer Talente?

Koubek: Nein. Das sind tolle Turniere, sie betreffen aber nur die Profis. Was in Österreich schmerzlich fehlt, sind Challenger-Turniere. Für diese zweitklassigen Turniere fehlt aber die finanzielle Unterstützung, schon ein Preisgeld von 50.000 Euro lässt sich kaum aufstellen. Der Zuschauerzuspruch ist gering, die Vermarktung schwer, aber der Tennissport würde davon immens profitieren. (Florian Vetter, 26.10.2017)