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Spontaner Jubel in den Straßen von Barcelona, nachdem das Regionalparlament für die Unabhängigkeit gestimmt hat.

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Auch am Abend wurde in Katalonien noch gejubelt. Dann löste Madrid Regionalregierung und Regionalparlament auf.

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Am Tag nach der Unabhängigkeitserklärung hängen in Katalonien die Flaggen von den Balkonen.

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Barcelona/Madrid – Das katalanische Parlament hat am Freitag für die Unabhängigkeit von Spanien gestimmt. In Barcelona votierten 70 Abgeordnete für die Loslösung der autonomen Region vom spanischen Staat.

Die Regierung in Spaniens Hauptstadt Madrid reagierte am Freitagabend prompt: Spaniens Premierminister Mariano Rajoy setzte die Regionalregierung Kataloniens ab, löste das Regionalparlament auf und kündigte Neuwahlen für 21. Dezember an. Samstagfrüh übernahm Rajoy offiziell die Amtsgeschäfte des abgesetzten katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont.

Nach Informationen der Zeitung "El Pais" hat Rajoy seine Stellvertreterin Soraya Saenz de Santamaria mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte betraut. Sie hat offiziell den Posten des abgesetzten katalanischen Vizeregierungschefs Oriol Junqueras übernommen. Insgesamt mussten 150 Mitarbeiter der Regionalregierung gehen.

Ob und wie sich die katalanischen Minister an die Anordnung halten, war am frühen Samstag noch unklar. Laut der Zeitung "Vanguardia" könnten sie noch versuchen, rechtlich gegen die Absetzung vorzugehen.

In der digitalen Form des Amtsblattes wurden am Samstag auch erste Details zu den geplanten Wahlen veröffentlicht. Demnach haben die Parteien für den Wahlkampf 15 Tage Zeit. Er beginnt am 5. Dezember.

Die abgesetzte katalanische Regionalregierung hat sich am Samstag in Schweigen gehüllt. Weder der bisherige Regierungschef Carles Puigdemont noch sein Vize Oriol Junqueras äußerten sich bis am Samstag zu Mittag öffentlich zur offiziellen Übernahme der katalanischen Amtsgeschäfte durch Madrid.

Polizeichefs abgesetzt

Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluis Trapero, wurden abgesetzt. Im Fall Trapero war zunächst vermutet worden, dass er seinen Posten behalten könne. Soler hat seinen Posten nach Informationen der Zeitung "El Mundo" bereits widerstandslos geräumt. Er habe sich in einem Schreiben von seinen Mitarbeitern verabschiedet.

Die Regionalpolizei forderte ihre Beamten zur Neutralität im Unabhängigkeitsstreit auf. "Es ist unsere Verantwortung, die Sicherheit aller zu gewährleisten", hieß in einem internen Vermerk der Polizeiführung, den die Nachrichtenagentur Reuters am Samstag einsehen konnte. Es werde wahrscheinlich einen Anstieg an Versammlungen und Kundgebungen geben. Die Polizei müsse ihren Beitrag leisten, dass diese störungsfrei stattfinden könnten.

Erstmals Verfassungsartikel aktiviert

In Madrid stimmte zuvor der Senat noch am Nachmittag dafür, der spanischen Zentralregierung die Aktivierung des Artikels 155 zu erlauben, mit dem die katalanischen Separatisten entmachtet werden sollen.

Im spanischen Senat hatte Rajoy am Vormittag dafür plädiert, erstmals den Artikel 155 der Verfassung zu aktivieren und die direkte Kontrolle in Katalonien zu übernehmen. "In meinen Augen gibt es keine Alternative", sagte er: "Das Einzige, das getan werden kann, ist, das Recht einzuhalten." Es habe keine Veränderungen der Lage gegeben, die eine Abkehr vom Einsatz des Artikels 155 rechtfertige: "Wir stehen einer Herausforderung gegenüber, die beispiellos ist in unserer jüngeren Geschichte."

ORF

Die Billigung der Maßnahmen durch den Senat in Madrid wurde am Freitag schon kurz nach der Abstimmung bei einer Plenarsitzung der zweiten Parlamentskammer im spanischen Amtsblatt veröffentlicht. Damit konnte Rajoy nach dem Beschluss des Senats zur Aktivierung von Artikel 155 mit harter Hand gegen die nach Unabhängigkeit strebende katalanische Führung vorgehen.

Verfahren gegen Puigdemont

Das spanische Verfassungsgericht dürfte die Proklamation des katalanischen Parlaments ohnehin für ungültig erklären. Abgeordnete, die mit Ja gestimmt haben, könnten vor Gericht gestellt werden und müssten bei einer Verurteilung mit Haftstrafen von bis zu 30 Jahren rechnen.

Am Abend hat die spanische Generalstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Puigdemont wegen "Rebellion" angekündigt. Die Behörde werde in der kommenden Woche Anklage gegen Puigdemont erheben, sagte ein Sprecher am Freitag. Auf "Rebellion" steht im spanischen Recht eine Höchststrafe von 30 Jahren Haft.

Referendum Anfang Oktober

Die katalanische Regierung von Puigdemont hatte am Donnerstag die Idee verworfen, Neuwahlen auszurufen und so womöglich der Entmachtung durch die spanische Zentralregierung zuvorzukommen. An einem Referendum über die Unabhängigkeit der Region hatten sich am 1. Oktober 43 Prozent der Katalanen beteiligt. (red/APA, 27.10.2017)