Ein Film über den Start ins Leben: "Cry Baby, Cry".

Foto: Viennale

Auf der Viennale werden viele exzellente Filme von einschlägigen wie weniger bekannten Persönlichkeiten gezeigt. Leider bleiben Filme mit geringerer öffentlichkeitswirksamer Zugkraft oft aufgrund von Popularisierung und Persönlichkeitswahn auf der Strecke, was sich auch in den geringeren Zuschauerzahlen dieser Vorstellungen widerspiegelt. Infolgedessen soll aber gerade über einen Film gesprochen werden, der sich mehr Aufmerksamkeit und einen eigenen Preis verdient hätte, nämlich: "Cry Baby, Cry" von Antonin Svoboda. Und dies lässt sich vor allem an zwei Gründen festmachen. Einerseits aufgrund der Thematik und andererseits wegen der Machart des Films.

Geburt kann ein Trauma hinterlassen

Thematisch begleitet der Film Väter und Mütter mit ihren Neugeborenen oder Kleinkindern, welche durch das Wunder der Geburt auf die eine oder andere Art traumatisiert sind. Die heile Welt des jungen, perfekten Familienglücks als Ideal, das sowieso niemals in der Realität erreicht werden kann, verblasst dabei schnell. Der Film zeigt einfach Menschen, die mit der Geburt und der neuen Situation erst zurechtkommen müssen. Dies gilt für die Eltern, die sich erst in ihrer neuen Rolle als Mütter und Väter zurechtfinden müssen, wie auch für die Kinder, die sich erst in ihre neue Welt integrieren müssen.

Die illusorischen Erwartungshaltungen werdender Eltern zur Geburt selbst und vor allem zum danach folgenden Alltag einer jungen Familie zeigen, welchem Druck Mütter und Väter heute ausgesetzt sind, den sie sich auch selbst auferlegen. Um ein mögliches Familienglück zu erreichen, bedarf es harter Arbeit und Hilfe, wie es die Protagonisten zeigen und wofür der Film, allein schon aufgrund der Thematisierung eines solchen gesellschaftlichen Tabus, herausragend ist.

Nüchterne filmische Herangehensweise

Die filmische Inszenierung wird dabei der schwierigen Thematik gerecht. In langen und ruhigen Aufnahmen wird die Konfrontation mit Problemen in der sicheren Umgebung des Therapiezimmers schonungslos und ehrlich beleuchtet. Unnötige Schnitte, dramatisierende Musik, fehlplatzierte Fragen oder kameratechnische Experimente werden vermieden. Im Vordergrund steht der schwierige Kampf, eine Familie zu werden und zu sein.

In den Aufnahmen wird, immer mit respektvoller Distanz, allen Protagonisten Raum gegeben. Wodurch sich die Erzählungen der Eltern über ihre Gedanken- und Gefühlswelt unzensiert und frei entfalten können sowie die Kinder durch ihre Körpersprache und sonstige Artikulation zu Wort kommen. In Balance wird dies durch die Interaktion mit dem auftretenden Therapeuten gehalten. Als Rahmen für die einzelnen Sequenzen dienen die unaufgeregten Kommentare von Spezialisten auf diesem Gebiet, welche anschaulich und ernsthaft Einblicke in die Seelenwelt von Mutter, Vater und Kind liefern. Bei alldem bewahrt der Film trotzdem immer eine positive Note. Das alles macht den Film nur noch herausragender.

Ein gut balancierter Film

"Cry Baby, Cry" kommt nicht wertend oder belehrend daher. Auch liefert der Film keine Allheilmittel und sucht nicht nach Schuldigen. Ebenso werden keine ideologischen Grabenkämpfe geführt. "Cry Baby, Cry" ist ein Dokumentarfilm, der auf ehrliche und nüchterne Weise versucht, sich seinem komplexen Thema anzunähern. Er versucht ein Bewusstsein zu schaffen, dass hinter Rollenbildern wie Vater und Mutter immer nicht perfekte Menschen stehen und Kinder auf ihre eigene Art kommunizieren und Aufmerksamkeit benötigen. Schlussendlich bleibt nur noch Svoboda zu danken, dass er diesen Film gedreht hat, und ebenso den Protagonisten, welche den Mut bewiesen haben, so offen und unverblümt ein intimes Stück ihres Privatlebens preiszugeben. Es ist wirklich zu hoffen, dass dieser Film, der voraussichtlich im Februar/März 2018 in die Kinos kommt, auch mit einer hohen Zuschauerzahl gewürdigt wird. (Michael Schober, 27.10.2017)