Ein Bild aus alten, zerstrittenen Tagen: Dennoch drängt es viele in der SPÖ noch immer auf die Regierungsbank.

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Gleich zu gleich gesellt sich gern. So kann man die Kundmachung von ÖVP-Kurz kommentieren, die FPÖ zu Koalitionsverhandlungen einzuladen. Einmal mehr zeigt sich das Geschick (oder das Irreführungsvermögen) von Sebastian Kurz, bekannte Dinge als Neuigkeit zu verkünden. Der nach Richtlinienkompetenz lechzende Mini-Mini-Metternich ließ sein Volk wissen, er habe bei Christian Kern "nicht den Willen zu einer ÖVP-SPÖ-Regierung verspürt", während bei Heinz-Christian Strache der "wirklich starke Gestaltungswille" zu spüren sei.

Da der Veränderungsramsch, mit dem Kurz einen Teil der Wählerschaft betörte, Wein aus uralten Schläuchen ist, muss die Propaganda-Show weitergehen. Denn Veränderung heißt: Fortsetzung des Schüssel-Projekts der Entfernung der SPÖ von den Schalthebeln der Macht. Unterscheidbar sind ÖVP und FPÖ kaum noch. Schon deshalb war der Eiertanz jener SPÖ-Zwerge, die sich Parteigranden nennen, an Abstrusität kaum zu übertreffen. Die Frage, ob man mit der FPÖ koalieren dürfe, ist längst irrelevant. Wer ideologisch nicht mit der FP kann, kann auch nicht mit der Kurz-ÖVP koalieren, in der zeitgeistig umgeschminkte autoritäre Ideen fröhliche Urständ feiern. Selbst die Pro-EU-Haltung von Kurz ist fragwürdig angesichts unverhohlener Sympathien für Viktor Orbán.

Insofern sind alle Proteste gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ Heuchelei oder nicht zu Ende gedacht. Aus denselben Gründen müsste man bei politischer Geradlinigkeit auch dagegen protestieren, dass die ÖVP in einer Regierung vertreten ist. Daraus ergibt sich ein Dilemma: Wer soll regieren? Die SPÖ mit Duldung von VP oder FP? Ist das erlaubt? Wenn die Sozialdemokratie Minderheitsregierung spielt (eine rein fiktive Möglichkeit fernab der Realität) und sich dabei von einer jener zwei Parteien tolerieren lässt, die von seriösen internationalen Blättern als rechtsradikal eingestuft werden, macht das keinen politisch korrekten Fußgeruch. Andererseits: Sind diese beiden Parteien noch rechtsradikal, sobald sie eine Mitte-links-Partei unterstützen?

"Guter Plan B"

Die von Kurz als "definitiv eine Variante" und "guter Plan B" charakterisierte Minderheitsregierung seiner VP mit stiller Unterstützung der SPÖ wirft ebenfalls Fragen auf. Darf die SP eine derartige Minderheitsregierung ermöglichen? Man sieht an diesen Beispielen, dass es wenig Sinn hat, ob jemand in der SP eher links oder eher rechts angesiedelt ist, daran zu messen, wie man zur FPÖ steht. Wenn diese FP – wie zu Recht diagnostiziert – sich kaum noch von der ÖVP unterscheidet, ist jeder SPler am rechten Rand seiner Partei angesiedelt. Die einen, weil sie mit der VP, die anderen, weil sie mit der FP zusammengehen wollen. Beide Rechtsparteien wurden im Wahlkampf nicht müde, einander vorzuwerfen, das Wahlprogramm vom anderen abgeschrieben zu haben. Diese beiden Parteien sind selbst nicht mehr in der Lage (oder willens), einen Unterschied zu machen oder zu erkennen.

Die Jahrzehnte vorherrschende Frage "Wie hältst du es mit der FPÖ?" ist durch den radikalen Rechtsruck von Kurz obsolet geworden. Wenn zwei sehr weit rechts stehende Parteien miteinander die Mehrheit haben und gewillt sind, diese auch einzusetzen, dann werden sie es tun, und niemand kann und darf sie in einer Demokratie daran hindern.

Die zwei zukünftigen Koalitionäre haben eine parlamentarische Mehrheit. Weniger klar ist, ob eine Mehrheit der Bevölkerung will, dass sie tatsächlich eine Regierung bilden. Sehr klar aber ist, dass Industrie und einflussreiche ÖVP-nahe Banken kein Interesse mehr an einer Regierungsbeteiligung der SPÖ haben. Die SP hat in den 1970er-Jahren für jenen Modernisierungsschub gesorgt, der in den Zeiten der Hochkonjunktur teilweise ständische Strukturen beseitigt und der Industrie die benötigten zusätzlichen Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt hat.

In den 1990er-Jahren wurde die SPÖ noch einmal gebraucht, um den Beitritt zur EU so durchzusetzen, dass den Arbeitnehmern und Kleinbetrieben nicht auffiel, wie mit der konkreten Form der Umsetzung vor allem den Bedürfnissen der Großindustrie Genüge getan wurde (die aber an einer Arbeits- und Sozialunion keinerlei Interesse hatte). Ab 1995 wurde die SPÖ nicht mehr benötigt, und schon bei erster Möglichkeit (1999/ 2000) erfolgte ihre Ablöse durch Schwarz-Blau. Die Unfähigkeit der FPÖ verhalf der SPÖ schon nach wenigen Jahren wieder in die Regierung. Sie stellte ein (wenn auch schwaches) Hindernis bei den weiteren Plänen zum Sozialabbau dar. Mit dem Wiedererstarken der FPÖ wurde sofort beim Erreichen einer rechts-rechten parlamentarischen Mehrheit die SPÖ erneut aus der Regierung entfernt, um das 2000 begonnene Zerstörungswerk fortzusetzen.

In Oberösterreich wird von ÖVP und FPÖ bereits jener Grundton angeschlagen, der demnächst in Österreich herrschen wird. Die Großen der Wirtschaft setzen derzeit mehrheitlich auf soziale Demontage. Die Österreicher werden schmerzhaft zu spüren bekommen, was das Wort "Veränderung" wirklich bedeutet. Und die SP kann sich ihren Wertekatalog wohin auch immer stecken. Weder VP noch FP werden ihm gerecht. (Michael Amon, 27.10.2017)