Ministerpräsident Bjarni Benediktssons Konservative erhielten am meisten Stimmen.

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Katrin Jakobsdottir, Chefin der Links-Grünen Bewegung, könnte die nächste isländische Regierung anführen.

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Reykjavík/Graz – Die Wende in Island ist ausgeblieben – oder zumindest nicht in dem Maße eingetreten, das erwartet worden war. Zwar mussten die bisherigen Regierungspartner bei den Wahlen am Wochenende herbe Verluste einstecken. Aber auch die Links-Grünen, die in Umfragen lange wie die kommenden Wahlsieger ausgesehen hatten, blieben hinter ihren Erwartungen. Die konservative Unabhängigkeitspartei des Regierungschefs Bjarni Benediktsson holte im Endspurt des Wahlkampfs überraschend auf. Sie blieb mit 25,2 Prozent deutlich stimmenstärkste Partei.

Benediktsson reklamierte umgehend den Wahlsieg für sich. Die Grünen von Ex-Bildungsministerin Katrín Jakobsdóttir verbesserten mit 16,9 Prozent ihr Ergebnis vom vorigen Jahr nur leicht und mussten sich mit Platz zwei begnügen. Dennoch sah sich auch die 41-jährige Jakobsdóttir als Wahlsiegerin und erhob als Chefin des Wahlbündnisses mit den Sozialdemokraten (12,1 Prozent) und der Piraten (9,2 Prozent) ebenso den Regierungsanspruch.

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Mit 10,9 Prozent höchst erfolgreich verlief das Debüt der Zentrumspartei, dem neu gegründeten, populistischen Ableger der liberalen Fortschrittspartei unter Expremier Sigmundur Davíð Gunnlaugsson. Er holte um einen Zehntelprozentpunkt mehr Stimmen als seine bisherige Partei.

Was die Gründe für die Aufholjagd der Unabhängigkeitspartei waren, wird die isländischen Politologen wohl noch einige Zeit beschäftigen. Immerhin war Benediktsson zuletzt in mehrere Skandale verwickelt gewesen. Nun drohen Island ähnlich langwierige Regierungsverhandlungen wie bereits vor einem Jahr. Da die bisherige Mitte-rechts-Regierung Benediktssons mit der liberalen "Erneuerung" und der aus dem Parlament geflogenen "Strahlenden Zukunft" die neuerliche Mehrheit klar verfehlte, muss jedenfalls eine neue Regierungskonstellation gefunden werden.

Schwierige Verhandlungen

Angesichts der sehr unterschiedlichen Standpunkte in den nunmehr acht Parlamentsparteien droht wie schon im Vorjahr eine schwierige Regierungsfindung mit ständig wechselnden Kandidaten für das Amt des Premiers. Im Hinblick auf einen möglichen neuen Anlauf für einen EU-Beitritt, einen vor allem von den Links-Grünen geforderten Austritt aus der Nato gehen die Bruchlinien quer durch die Parteien.

Die Neuwahlen waren Mitte September ausgerufen worden, als bekannt wurde, dass der Vater des Premiers zugunsten eines wegen Pädophilie verurteilten Freundes interveniert hatte und Benediktsson davon wusste. Seither tauchten auch Hinweise darauf auf, dass der Regierungschef in undurchsichtige Geschäfte mit der Pleitebank Glitnir verwickelt war. Der Masseverwalter ließ daraufhin die Verbreitung von Informationen über die Transaktionen von Benediktsson und anderen ehemaligen Kunden per einstweilige Verfügung verbieten.

Schon die Wahlen vom vergangenen Jahr standen im Zeichen der sogenannten Panama Papers, in deren Sog auch der damalige Regierungschef Gunnlaugsson geraten war. Island leidet bis heute an den Folgen der Finanzkrise von 2008. Damals brach über Nacht das Finanzwesen des Landes zusammen. (Andreas Stangl, 29.10.2017)