2013 erreichten mehr als 40 Prozent der Buben und über 30 Prozent der Mädchen am Ende der Volksschule die vorgegebenen Bildungsziele im Lesen nicht.

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Wien – Vor 20 Jahren hatte noch jeder zweite Österreicher einen Job, in dem er manuell arbeitete. Heute sind es nur mehr 40 Prozent, und der Anteil sinkt weiter. Der Arbeitsmarkt verändert sich, und Hauptgrund dafür ist die Digitalisierung. Damit die Österreicher weiterhin einen Job finden, muss sich auch das Bildungssystem ändern, stellt die Studie "Österreich 2025 – Die Rolle ausreichender Basiskompetenzen in einer digitalisierten Arbeitswelt" des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und der Hannes-Androsch-Stiftung bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fest.

Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen werden es in Zukunft am Arbeitsmarkt noch schwerer haben. Die neue Regierung müsse deshalb das Bildungssystem reformieren und auch mehr Geld hineinstecken, fordern Experten.
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Schon jetzt zeigt sich: Wer über wenig formale Bildung verfügt, ist eher arbeitslos, und dieser Trend hat sich in den letzten Jahren massiv verstärkt. Waren 1990 noch neun Prozent der Männer mit höchstens Pflichtschulabschluss arbeitslos, waren es 2016 rund 28 Prozent. Bei Frauen stieg der Wert nicht gar so stark von neun auf 24 Prozent.

Grafik: Der Bildungsstand spielt bei der Arbeitssuche eine erhebliche Rolle.

Gleichzeitig hat das österreichische Bildungssystem erhebliche Probleme, vor allem bei den Lese- und Mathematikfähigkeiten der Schüler. 2013 erreichten über 40 Prozent der Buben und über 30 Prozent der Mädchen am Ende der Volksschule die vorgegebenen Bildungsziele im Lesen nicht. In Mathematik waren es rund ein Viertel der Mädchen und ein Fünftel der Buben.

Dabei sind die Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen laut den Studienautorinnen Julia Bock-Schappelwein und Ulrike Huemer ein "unverzichtbarer Grundstein" für die weitere Schul- und Berufskarriere, vor allem in Zeiten der Digitalisierung.

Besser als der Roboter

Auch wenn Roboter Menschen in ihre Jobs ersetzen: Manche Fähigkeiten haben sie zumindest jetzt noch nicht, und genau die sind es, die man am zukünftigen Arbeitsmarkt brauchen wird. Laut der Studie sind das das Verstehen und Kommunizieren von Informationen, das Lösen unstrukturierter Probleme und das Durchführen manueller Tätigkeiten, die keiner Routine folgen. Ohne lesen und rechnen zu können, wird man sich diese Fähigkeiten aber nicht aneignen können.

Die Antwort laut Wifo-Chef Christoph Badelt: "In Bildung investieren, in Bildung investieren, in Bildung investieren." Dabei könne die Politik nicht früh genug ansetzen. Schon im Kindergarten müsse man vor allem jene fördern, die dazu Hause nicht die nötige Unterstützung der Eltern bekommen.

In seiner Funktion sei es ihm immer wichtig, auch auf Gegenfinanzierung im Budget zu pochen, sagt Badelt. In Bildungsfragen würden sich die Inventionen und eine Strukturreform aber in jedem Fall rentieren, da "durch diese Strukturreform verlässlich Mittel freiwerden".

Kosten im Sozialsystem drohen

Zudem drohen laut der Studie erhebliche Kosten etwa für das Sozialsystem, wenn die Basiskompetenzen bei den Arbeitskräften fehlen. Wenn jemand nicht ausreichend lesen könne, sei an eine Fachqualifikation, die im heutigen Arbeitsmarkt nötig sei, gar nicht zu denken, sagt Badelt. Auch eine Umschulung von Personen, die ihren Job aufgrund der Digitalisierung verlieren, sei dann nicht möglich. Die Folge: Der Staat hat höhere Ausgaben für Arbeitslose.

Die Studienautorinnen empfehlen der Politik, bereits in der Frühphase der Schulkarriere zu investieren, um Schwächen in Lesen und Rechnen vorzubeugen. Schulstandorte mit "schwierigen Ausgangssituationen oder Problemen in der Kompetenzvermittlung" solle man mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausstatten und diese Investitionen evaluieren.

Androsch: "Schulen nicht für Landespolitiker"

Der Unternehmer und ehemalige SPÖ-Politiker Hannes Androsch, dessen Stiftung die Studie mitfinanziert hat, empfiehlt vor allem die Einführung der Ganztagsschule an allen Schultypen. Nur so könne die fehlende Chancengleichheit hergestellt werden. Die kommende Regierung müsse in der Schulpolitik jedenfalls mit den "Blockaden aus scheinideologischen Gründen aufhören", sagt Androsch: "Schulen sind für Schüler da und nicht für Lehrergewerkschafter und Landespolitiker."

Hammerschmid verweist auf Initiativen

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) verwies angesichts der Forderungen im APA-Gespräch auf laufende Initiativen. Auch sie sehe "hier ein wichtiges Handlungsfeld", man sei aber auch "längst in der Umsetzung". Seit kurzem laufe etwa das Projekt "Grundkompetenzen absichern", im Zuge dessen das Ministerium und die Pädagogischen Hochschulen rund 500 Schulen unter die Arme greift, die bei den Bildungsstandards in den Bereichen Deutsch, Mathematik und Englisch unter ihrem eigentlichen Potenzial abschneiden. Mit der bis 2022 ausgelegten Initiative "begleiten wir seit diesem Schuljahr punktegenau jene Schulen, die bei Überprüfungen unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielen". (Lisa Kogelnik, 30.10.2017)