Wer mit Kindern über Sterben und Tod spricht, sollte beschönigende Metaphern vermeiden, sagen die Psychologinnen Simone Fröch und Antonia Mittelbach.

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Wien – Eine Kindergartengruppe auf dem Spielplatz. Die Drei- bis Sechsjährigen hüpfen aufgeregt auf der Stelle, kreischen, rufen: "Eine tote Maus, eine tote Maus." In solchen banalen Situationen tauchen Fragen auf: Was heißt es, tot zu sein? Wie fühlt sich das an? Können auch Menschen sterben? Doch Erwachsene wissen häufig nicht, was sie ihren Kindern darauf antworten sollen.

"Es ist wichtig, darüber zu reden, vor allem wenn Kinder beginnen, Fragen über den Tod zu stellen", sagt Antonia Mittelbach, die als klinische Psychologin für das Kinderhospiz Momo arbeitet. Eine eindeutige Formel, ein Patentrezept dafür gibt es allerdings nicht. "Es geht darum, genau auf das Kind zu achten, seine Reaktionen wahrzunehmen, Antworten zu geben, die es verstehen und verarbeiten kann", erklärt die Wiener Gesundheitspsychologin Simone Fröch.

Ein paar Wegweiser können die ersten Schritte auf diesem heiklen Terrain aber dennoch leichter machen. Zunächst ist das Alter des Kindes ausschlaggebend. "Drei- bis Sechsjährige haben noch keine Vorstellung davon, dass der Tod endgültig ist", so Fröch. "Kleinkinder denken etwa, dass Verstorbene wieder zurückkommen", ergänzt Mittelbach.

Alles wörtlich nehmen

Was beide Psychologinnen betonen: "Es braucht klare Worte." Einfache, unmissverständliche Sätze wie: "Wer gestorben ist, der atmet nicht mehr. Auch das Herz hört auf zu schlagen. Der Körper wird kalt." Oft wollen die Eltern ihr Kind aber schützen und wählen deshalb beschönigende Metaphern wie "Das geliebte Haustier ist für immer eingeschlafen", "Die Oma ist von uns gegangen" oder "Der Opa hat sich auf eine lange Reise gemacht". Das Problem an solchen Formulierungen: Kinder nehmen bis zum Volksschulalter alles wörtlich. So besteht die Gefahr, dass sie Angst bekommen, wenn Papa und Mama in der Früh zur Arbeit gehen, eine Dienstreise machen oder sich die Familie am Abend schlafen legt.

Mit etwa fünf Jahren fangen Kinder an, den Tod zu erforschen und beginnen zunehmend Fragen zu stellen. "Die eigene Betroffenheit wird aber noch weitgehend ausgeklammert. Sterben, das tun die anderen, aber nicht das Kind selbst", erläutert Mittelbach. Ab dem Volksschulalter begreifen sie aber zunehmend, dass der Tod endgültig ist – und dass auch sie oder Bezugspersonen sterben könnten.

Wie aber reagieren, wenn Bruder, Schwester, ein Elternteil oder ein anderer naher Angehöriger unheilbar krank ist? "Über die Krankheit sprechen", rät die Psychologin vom Kinderhospiz Momo. Das Kind sollte aber nicht gefragt werden, ob es etwa die sterbende Oma im Krankenhaus besuchen oder mit zum Begräbnis kommen will, "es kann solche Entscheidungen nicht treffen, da es noch keine Erfahrung damit hat", betont Mittelbach.

Die Beziehung berücksichtigen

"Letztendlich ist die Beziehung ausschlaggebend", sagt Fröch. Hat das Kind ein Naheverhältnis zum erkrankten oder verstorbenen Menschen, sollte ihm die Möglichkeit gegeben werden, Abschied nehmen zu können. Das bedeutet: vorbereitet sein auf die Situation im Krankenhaus oder am Friedhof. Vor dem Besuch im Spital erklären, wofür die Maschinen, Schläuche und Flüssigkeiten gut sind, welchen Zweck die unterschiedlichen Rituale der Trauerfeier haben.

In solchen Situationen kann es hilfreich sein, eine außenstehende Person mitzunehmen, zu der das Kind Vertrauen hat. "Für den Fall, dass es dem Kind zu viel wird und es weggehen mag. Zudem öffnen sich Kinder manchmal Außenstehenden eher als den Eltern, die mit ihrer Trauer beschäftigt sind – da sie die Erwachsenen oft schützen und nicht belasten möchten", berichtet Mittelbach von ihren Erfahrungen

Kinder trauern anders

So überwältigend Gefühle für Kinder momentan auch sein können, schaffen sie es im nächsten Augenblick doch wieder, relativ unbeschwert zu sein. "Obwohl kleine Kinder noch nicht die gesamte Tragweite des Todes erfassen können, heißt das nicht, dass sie keine Trauer empfinden", sagt Psychologin Fröch. Wichtig sei es, die tiefgehenden Emotionen in Worte zu fassen: "Ich weiß, es macht dich sehr traurig, dass Mama gestorben ist, und deshalb musst du weinen", könnte einer dieser Sätze lauten.

Was noch zu beachten ist: Trauerphasen wechseln sich mit Momenten ab, in denen Kinder einfach nur spielen und lachen wollen. Das kann für Erwachsene irritierend sein. "Es handelt sich dabei um einen Schutzmechanismus. Während Erwachsene häufig durch einen See aus Tränen waten, ist die Trauer von Kindern mit Sprüngen von Pfütze zu Pfütze vergleichbar", ergänzt Mittelbach.

Wer kümmert sich um mich?

Wenn die Mama oder der Papa stirbt, macht das Angst. Mit der Frage, ob auch der hinterbliebene Elternteil sterben muss, ist früher oder später zu rechnen. Auch hier plädieren die Psychologinnen für eine klare Antwort: "Ja, ich werde auch einmal tot sein. Jetzt geht es mir aber gut."

"Kinder denken hier pragmatisch", erklärt Mittelbach. "Sie wollen häufig einfach nur wissen, wer dann für sie sorgt – in den Kindergarten fährt, Frühstück und Abendessen macht oder sie ins Bett bringt." Um dem Kind die Angst zu nehmen, sollten Szenarien und Angebote entworfen werden. "Wenn ich tot bin, dann sorgt die Oma für dich", zum Beispiel. "Letztendlich geht es darum, dem Kind das Wissen vom Tod zu vermitteln, ohne ihm Angst zu machen. Denn auch die Angst kann das Leben behindern", resümiert Fröch. (Günther Brandstetter, 1.11.2017)