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"Parteitage zählen nicht", meinte Verteidigungsminister Michael Fallon (hier auf dem Parteitag 2017), als er einer Journalistin ans Knie griff.

Foto: REUTERS/Phil Noble

Eine "Liste der Schande" bringt die Regierung der britischen Premierministerin Theresa May unter Druck. Ausgelöst durch den Skandal um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein, dem mehrere Frauen sexuelle Belästigung bis hin zur Vergewaltigung vorwerfen, werden seit dem Wochenende mehr und mehr Vorwürfe der sexuellen Belästigung durch britische Abgeordnete und Regierungsmitglieder bekannt.

Die "Times" veröffentlichte eine teilweise geschwärzte Liste, die unter Mitarbeitern der konservativen Fraktion zirkuliert und auf der 36 Politiker gelistet sind. Ihnen wird "unangemessenes Verhalten" vorgeworfen. Brisant für May: Unter den 36 Personen befinden sich auch sechs Mitglieder ihres Kabinetts und acht Staatssekretäre. Die Namen von fünf der sechs Minister sind der Öffentlichkeit weiter unbekannt. Der sechste ist seit Dienstag enttarnt: Verteidigungsminister Michael Fallon entschuldigte sich dafür, dass er einer Radiomoderatorin mehrfach aufs Knie gegriffen hatte, bis diese ihm androhte, ihm "ins Gesicht zu schlagen".

Entschuldigung

Fallon, damals noch einfacher Abgeordneter, soll demnach die Journalistin Julia Hartley-Brewer auf einem Parteitag der Konservativen 2002 belästigt haben. Glück für Fallon: Die Betroffene sieht sich nicht als Opfer. Auf Twitter sagt sie zu dem Vorfall: "Dieser 'Vorfall' ereignete sich 2002. Keiner war auch nur entfernt verärgert oder bekümmert."

Anzeichen für den Vorfall gab es allerdings schon 2009, als die Journalistin im "Sunday Express" über einen konservativen Abgeordneten schrieb, der ihr ans Knie gegriffen habe: "Er sagte mir, dass er an die alte Westminster-Regel glaubt, dass 'Parteitage nicht zählen'. Ich sagte ihm, dass ich an die Regel glaube, dass ich nicht mit den Ehemännern anderer Frauen ins Bett steige." Gemeint war Fallon.

Ein Sprecher des Verteidigungsministers sagte, Fallon habe sich entschuldigt, als der Vorfall vor 15 Jahren geschah, und dass beide, er und Hartley-Brewer, die Angelegenheit als erledigt ansehen.

Disziplinarverfahren gegen Staatssekretär

Für May könnte das aber erst der Anfang einer Regierungskrise sein. Denn auf der Liste, auf der sich rund ein Viertel ihres Kabinetts wiederfindet, werden Vorwürfe erhoben, die es in sich haben: Ein konservativer Politiker etwa sei bekannt dafür, "Frauen zu begrapschen", ein weiterer soll "eine Frau bezahlt haben, damit sie schweigt".

Außenhandelsstaatssekretär Mark Garnier musste bereits einräumen, seiner Sekretärin den Kauf von Vibratoren aufgetragen zu haben. Garnier hatte sein Verhalten gegenüber der Sekretärin als "Blödelei" bezeichnet. Laut einem Zeitungsbericht soll er vor Zeugen anzüglich über sie gesprochen haben. Gegen ihn läuft nun ein Disziplinarverfahren, wie die Regierung mitteilte.

Der Skandal platzt mitten in die stockenden Verhandlungen über Großbritanniens EU-Austritt und in eine immer lauter werdende Debatte über die Zukunft von Theresa May als Premierministerin, nachdem sie bei den vorgezogenen Neuwahlen ein schlechtes Ergebnis eingefahren hat. (stb, 31.10.2017)