Auf Versicherer kommen neue Zeiten zu. Vertragsabschlüsse werden mit mehr Beratung verbunden. Kunden sollen mehr Einblick erhalten.

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Wien – Der Kunde steht im Zentrum jener Richtlinie, deren Umsetzung die Versicherungen derzeit in Atem hält. Konkret geht es um die Vertriebsrichtlinie IDD (steht für Insurance Distribution Directive), die viele Punkte beim Verkauf und Vertrieb von Versicherungen neu regelt.

"Jede Abteilung, von der IT bis zur Produktentwicklung, ist in die Umsetzung der IDD eingebunden", sagt Norbert Griesmayr, Chef von VAV-Versicherungen. Das binde enorme Kapazitäten und verursache hohe Kosten. Kosten, die letztlich der Kunde wird tragen müssen. Denn die Margen seien derzeit ohnehin schon gering. Seit Inkrafttreten der Vorgaben von Solvency II dürfen Versicherungen nur noch sehr konservativ veranlagen, und das Niedrigzinsumfeld drückt auf das Geschäft, weil viele Häuser im Bereich Leben auch mit hohen Zinsversprechen aus der Vergangenheit kämpfen. Eine erneute Kostenbelastung müsse daher – zumindest teilweise – an Kunden weitergegeben werden.

Prämien werden teurer

In der Praxis heißt das, dass die Prämien künftig teurer werden. "Kleine Märkte wie Österreich sind von solchen Neuregelungen immer stärker betroffen", sagt Griesmayr. Er sieht in der IDD aber auch Vorteile für die Kunden.

So muss etwa die Aus- und Weiterbildung der Versicherungsagenten und Makler laufend nachgewiesen werden. "Das hebt das Niveau der Beratung", ist Griesmayr überzeugt. Auch die Vergütung wird neu geregelt. Jeder Kunde soll künftig Klarheit darüber haben, ob er von einem Versicherungsberater, einem Makler oder Agenten beraten wird und ob es dann Provisionen für den Verkauf eines Produktes gibt. Die (umsatzabhängigen) Kontingentprovisionen werden zudem verboten. Diese hätten in der Vergangenheit wohl dazu geführt, dass im Vertrieb bestimmte Produkte lieber verkauft worden sind, weil der Vermittler dafür eine extra Provision erhalten hat. "Dieser Wegfall ist gut", sagt Griesmayr. Das werde der Reputation der Versicherungsbranche helfen.

Zudem wird eine Governancefunktion für den Vertrieb geschaffen. Diese Funktion wird nicht von allen heimischen Versicherern als Vorteil gesehen, vom VAV-Chef jedoch schon: "Damit ist auch jemand da, der im Fall von Verfehlungen im Vertrieb dafür einstehen muss", sagt Griesmayr.

Kosten steigen

Ganz kritiklos sieht der VAV-Chef die IDD aber nicht. Die Versicherungen würden damit über einen Kamm geschoren mit all jenen, die Finanzprodukte vertreiben. So muss künftig nach jedem Gespräch mit dem Versicherungsberater dem Kunden ein Beratungsprotokoll und auch ein Produktinformationsblatt ausgehändigt werden. "Der Vertriebs- und Beratungsprozess wird damit zwar klar strukturiert", erklärt der VAV-Chef. Dass einem sein "Berater des Vertrauens" auf Zuruf Änderungen in der Polizze vornimmt, wird es dann aber so nicht mehr geben.

Damit schafft die IDD für Kunden auch einen Mehraufwand. Weil bei jeder Änderung muss künftig erst der Bedarf erhoben werden, dann folgen Beratung (samt Protokoll) und Infoblatt. Darin sieht Griesmayr "einen Overkill, der den Schutz für den Kunden letztlich nicht erhöht". Werden Kunden mit Infoblättern und Protokollen überfordert, könnte das laut dem Experten auch zu einem "Automatismus des Abhakens" führen. Denn viele Kunden wüssten genau, was sie wollen bzw. brauchen oder wo gerade Adjustierungsbedarf ist. Mit IDD tue man aber so, als ob der Kunde nun total schutzbedürftig wäre.

All das erhöhe aber auch die Stückkosten einer Versicherung. Das kann laut Griesmayr dazu führen, dass kleinere Produkte – etwa Hochzeitsversicherungen – aus dem Sortiment fallen werden.

Nicht alle Häuser in Europa sind mit der Umsetzung der IDD schon so weit, dass mit dem geplanten Start im kommenden Februar alles umgestellt sein wird. Daher gibt es eine Empfehlung des Europäischen Parlaments, das Inkrafttreten der IDD auf Oktober zu verschieben. Ob das tatsächlich passiert, steht noch in den Sternen. (Bettina Pfluger, 5.11.2017)