Rosen als Protest für mehr Rechte von Homosexuellen.

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Maxim Lapunow ist einer von denen, die es offiziell nie gegeben hat: ein Folteropfer der tschetschenischen Sicherheitsorgane; entführt und festgehalten in einem Geheimgefängnis in Grosny, geschlagen und erniedrigt wegen seiner Homosexualität. "Sie haben mich mit dem Gesicht zur Wand gestellt, und dann haben sie mich lange Zeit geschlagen, erst einer, dann der andere", sagte der gebürtige Russe aus dem sibirischen Omsk aus.

Lapunow berichtete, wie er mit Drohungen gezwungen wurde, einen Bekannten zu verraten, wie er Zeuge von dessen Misshandlungen wurde und wie er in seiner Kellerzelle in den elfeinhalb Tagen seiner Haft die Schreie zahlreicher anderer Folteropfer hörte. Einige davon seien mit Stromschlägen gequält worden, sagte er. Seine Freilassung verbindet er mit dem öffentlichen Druck, den seine Familie und Bekannte nach seinem Verschwinden entfacht hatten. Zuvor sei er jedoch gezwungen worden, Blankodokumente zu unterschreiben, seine Fingerabdrücke wurden auf Waffen festgehalten, und ihm wurde befohlen zu schweigen.

Kronzeuge des Folterskandals

Doch Lapunow schwieg nicht. Er ist der erste öffentliche Zeuge in einer Affäre, die seit einem halben Jahr in den Medien kursiert, die tschetschenische Führung zu zahlreichen Dementis nötigte und sogar die politische Führung in Moskau auf den Plan rief: Russlands Präsident Wladimir Putin versprach, die "Informationen oder Gerüchte" überprüfen zu lassen.

Während die Ermittlungsbehörden anschließend die Untersuchungen weitgehend verschleppten, entfaltete die Menschenrechtsberaterin des Präsidenten, Tatjana Moskalkowa, unerwartet Aktivität. Bürgerrechtler waren bei der Ernennung Moskalkowas noch skeptisch gewesen, da sie jahrelang im Innenministerium, also quasi auf der "Gegenseite" gearbeitet hatte. Moskalkowa jedoch ist – nach anfänglicher Distanz zum Fall – inzwischen die einzige, die versucht, die Aufklärung der Homosexuellenverfolgung in Tschetschenien aktiv voranzutreiben.

Druck aus Moskau

Nach der Aussage Lapunows hat Moskalkowa nun Stellung bezogen und die Behörden scharf kritisiert: "Meiner Ansicht nach gibt es allen Grund für die Einleitung eines Strafverfahrens und die Bereitstellung staatlichen Zeugenschutzes für Maxim Lapunow", sagte sie. Damit beendete sie die bisherige Informationspolitik des Kremls, die Foltervorwürfe gegen tschetschenische Behörden als Gerücht abzutun.

Und Moskalkowa macht Druck: Das zuvor eingestellte Ermittlungsverfahren wurde auf ihr Drängen wieder aufgenommen. Sie forderte, die Zeugen, die Lapunow benannt habe "und die bisher wegen der mangelnden Aktivität des Ermittlers nicht gefunden wurden", endlich aufzutreiben. Der Umfang der Homosexuellenverfolgung in Tschetschenien ist bis heute unklar. Bis zu 100 Opfer, darunter auch mehrere Tote, werden genannt. Viele der Verfolgten sind aus Tschetschenien geflohen. Bürgerrechtler hoffen darauf, dass trotz der Angst nun auch weitere Opfer bereit sind, öffentlich auszusagen. (André Ballin aus Moskau, 3.11.2017)