Gichtige Finger: Schon Jean de La Fontaine warnte in seinen Fabeln vor dem zu guten Leben.

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Wir essen zu viel Fleisch, zu viel Süßes, trinken zu viel Alkohol. All dies trägt dazu bei, dass der Harnsäurespiegel im Blut ansteigt. Gesunden macht das wenig aus, die Niere bringt den Wert wieder auf Normalniveau. Zwischen zwei und vier Prozent der Westeuropäer haben einen krankhaft erhöhten Harnsäurespiegel. Das heißt: Die Niere scheidet zu wenig Harnsäure über den Urin aus. Es bilden sich Kristalle, die auf Dauer Gelenke und Niere schädigen.

"Gicht ist eine Erkrankung, die häufig familiär auftritt", sagt Judith Sautner, Oberärztin am Landesklinikum Weinviertel/Stockerau und Leiterin des Arbeitskreises Osteoarthritis und Kristallarthropathien der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation. Ihr erster Rat an Patienten mit erhöhtem Harnsäurespiegel im Blut ist eine Ernährungsumstellung.

Das Ziel dabei ist, zu viele Purine in der Nahrung zu vermeiden, denn sie werden beim Abbau im Körper zu Harnsäure umgewandelt. Fisch ist purinreich, sollte aber nicht ganz von der Speisekarte verschwinden, weil seine Omega-3-Fettsäuren einen günstigen Effekt zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

Übeltäter Fleisch und Alkohol

Fleisch hingegen enthält mit am meisten Purine und sollte nur einmal pro Woche auf dem Speiseplan stehen. Es erhöht nicht nur den Harnsäurespiegel im Blut, die ungesättigten Fette vermindern die Harnsäureausscheidung der Niere. Auch Alkohol, vor allem Bier, erhöht stark die Harnsäureproduktion und behindert den Abbau der Harnsäure in der Niere. In Softdrinks und Fruchtsäften ist der Fruchtzucker das Problem, bei dessen Abbau Harnsäure entsteht. Auch einige Medikamente wie Aspirin oder Entwässerungsmedikamente gegen Bluthochdruck erhöhen den Harnsäurespiegel.

"Die Ernährungsanpassung allein senkt den Harnsäurespiegel in den meisten Fällen bei bestehender Gicht zu wenig", sagt Sautner. Als unproblematisch gelten mittlerweile pflanzliche Lebensmittel. Auch wenn Nüsse, Hülsenfrüchte, Spinat, Pilze, Haferflocken und Kohl zum Teil purinreich sind, ließ sich in Studien der Harnsäurewert durch ihren Verzicht nur wenig senken. Außerdem versorgen sie den Körper mit wichtigen Nährstoffen wie Eiweiße, Faserstoffe, Vitamine und Mineralien.

Viel Wasser trinken

Unbedenklich sind Milchprodukte, sie fördern die Ausscheidung von Harnsäure und haben entzündungshemmende Eigenschaften. Viel Flüssigkeit, Wasser und ungesüßte Getränke unterstützen die Niere beim Ausschwemmen der Harnsäure. Gut wirkt auch Kaffee, denn einige seiner Inhaltsstoffe wirken ähnlich wie der chemische Wirkstoff Allopurinol, der Gichtpatienten am häufigsten verschrieben wird.

Kommt es nach einem üppigen Mahl oder viel Alkoholkonsum dann zum akuten Gichtanfall, lässt sich nicht mehr ganz auf Arzneien verzichten. Meist zeigt sich der Gichtanfall zu Beginn am Grundgelenk des großen Zehs. Das Gelenk wird binnen weniger Stunden rot, heiß, schmerzt und schwillt an. Entzündungshemmende Schmerzmittel wie Proxen oder Diclofenac sind dann die erste Wahl, bei stärkeren Schmerzen auch Indocid.

Sind Schmerzmittel wegen anderer Erkrankungen oder Unverträglichkeit nicht einsetzbar, wird Kortison als Tablette gegeben oder direkt in das Gelenk gespritzt. Ist auch Kortison zum Beispiel wegen einem Diabetes nicht verwendbar, kann unter bestimmten Voraussetzungen auf den Wirkstoff Colchizin ausgewichen werden, der ebenso entzündungs- und schmerzlindernd wirkt.

Mit Medikamenten senken

Ist der akute Gichtanfall nach etwa zehn Tagen abgeheilt, gilt es, weitere Gichtanfälle zu vermeiden, um die Gelenke zu schonen. Die Zahl der Medikamente ist jedoch eng begrenzt, sie wirken nur optimal bei gesunder Niere, es gibt zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und zum Teil heftige Nebenwirkungen. Mittel der ersten Wahl sind Medikamente mit dem Wirkstoff Allopurinol. Die Therapie damit beginnt frühestens zwei Wochen nach einem Gichtanfall. Allerdings schafft es günstigstenfalls nur jeder Zweite damit, seinen Harnsäurespiegel wieder ins Lot zu bringen.

"Bei ungenügender Wirksamkeit oder Unverträglichkeit gibt es auch Febuxostat, das auch bei mittelgradig eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt werden kann. Vor der Zulassung steht auch noch Lesinurad", sagt Sautner.

Warum eine Senkung langfristig für Betroffene notwendig ist: Weil durch die Gicht auch die Niere Schaden nimmt: Zu hohe Harnsäurewerte fördern den Bluthochdruck und somit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zudem setzen sich die Harnsäurekristalle auch in der Niere ab und fördern Nierensteine, was im äußersten Fall zu einem Nierenversagen führen kann. Besser also, wenn sich Menschen mit Gichtneigung fleischarm ernähren. (Andreas Grote, 5.11.2017)