Sich langsam der Megalopolis Mexiko-Stadt annähernd: Wolfgang Lehrner, "City at the Limit" (2017).


Foto: Wolfgang Lehrner / Galerie Zeller van Almsick

Es ist ein Bild, das man nicht unbedingt mit einer Megalopolis in Verbindung bringt: Ein einsamer Cowboy sitzt auf einem Pferd in einer kargen Wüstenlandschaft. Wolfgang Lehrner (geb. 1980 in Wien) hat die zweiteilige Fotoarbeit City at the Limit (2017) von einer der Anhöhen rund um die 20-Millionen-Metropole Mexiko-Stadt aufgenommen. Die Luft scheint zu flirren. Der Reiter kehrt um – das zeigt das zweite Foto – zu seinem verlorenen Hut.

In der Ausstellung Stadt ohne Namen in der Wiener Galerie Zeller van Almsick sind die beiden atmosphärischen Momentaufnahmen das Erste, was man von der Megastadt sieht. Wolfgang Lehrner, der bei Brigitte Kowanz an der Universität für Angewandte Kunst studierte, hat sich von der Peripherie her kommend um eine langsame Annäherung bemüht.

In einem Video nimmt er die Betrachter zunächst mit auf die Hügel rund um die Stadt: Eindrucksvoll zeigt sich darin nicht nur die ungeheure städtische Ausdehnung der riesigen Metropole; die Bilder zeigen unter anderem auch, dass man selbst noch dort oben, "am Limit", die wilde Landnahme mit Zäunen einzudämmen versucht.

Hop-on-Hop-off-Perspektive

Das globalisierte World-City-System interessiert Wolfgang Lehrner seit vielen Jahren: die Transformation von Megastädten, ihre Ähnlichkeiten, die globale Bedeutung, aber auch ihr Chaos. Ausgangspunkt seiner kosmopolitischen Erkundungen sind deswegen Fußmärsche, wobei er neben ungewöhnlichen Pfaden auch touristischen folgt.

So hat er sich etwa der sogenannten Hop-on-Hop-off-Busse bedient und sich so mit zahlreichen Aufnahmen ein Bild des urbanen Lebens gemacht: Der speziellen Perspektive aus den erhöhten Doppeldeckerbussen geschuldet sind etwa die Bilder von anonymen Autofahrern, die eher beiläufigen Blicke auf diverse Sehenswürdigkeiten oder auf die zahlreichen modernistischen Gebäude der Stadt.

Mit genügend Distanz ist dem österreichischen Künstler so ein sensibles Porträt der Stadtbewohner gelungen: eine junge Frau, die auf den Bus wartet, ein Mann im Fitnesscenter, Securitys und wie in jeder Stadt viele Menschen mit Blick auf ihr Mobiltelefon.

Gleichförmige Architektur

Mit Wolfgang Lehrners Arbeit hat sich die Galerie sowohl medial als auch räumlich einen etwas anderen Anstrich gegeben. Bislang vor allem auf Malerei spezialisiert, hat man nun eine der großformatigen Fotografien beispielsweise im Türrahmen installiert: Darauf zu sehen ist die Glasfassade eines modernen Apartmentgebäudes, die zwar wenig über seine Bewohner, aber dafür sehr viel von der architektonischen Gleichförmigkeit globalisierter Städte erzählt.

Den typischen Weg aller Planstädte ist schließlich auch Conjunto Urbano Nonoalco Tlatelolco im Bezirk Cuauhtémoc gegangen. Der zur Zeit seiner Erbauung weltweit größte Apartmentkomplex wurde in den 1960er-Jahren von Architekt Mario Pani geplant. Eigene Schulen, Spitäler, Lebensmittelgeschäfte etc. sollten Teil des sozialen Wohnbauprojekts sein. Heute – das zeigt eine Drei-Kanal-Videoinstallation in der Schau eindrucksvoll – hält nur noch ein überdachter Weg, der Bulvar Periférico, den Stadtteil zusammen. Wenig überraschend auch, dass dieser mittlerweile zu den gefährlichsten gehört. (Christa Benzer, Album, 5.11.2017)