Olga Flor – nominiert für den Österreichischen Buchpreis, der am Vorabend der Buch Wien verliehen wird und eine der spannendsten Schreibenden in Österreich. Mit ihrem Roman "Klartraum" hat sich die eigenwillige Autorin für etwas entschieden, das ich von ihr bis jetzt nie erwartet hätte: eine Liebesgeschichte.

Diese kommt ohne politisches Auszucken, ohne Machtkalkül, ohne wahnwitzige Grausamkeiten aus, die ihre bisherigen Arbeiten bevölkert haben – und dennoch ist auch dieser Roman etwas Kristallines und bis ins letzte Detail logisch Durchdachtes, etwas, das in sich ruht in einer Funktionalität, die auch chemischen Formeln innewohnt.

Die Physikerin in ihr ist zwar konsequent sämtlichen Flieh- und Zentrifugalkräften auf der Spur, aber jenen, die das menschliche Miteinander ausmachen. Und von diesem Miteinander ist eine der überraschendsten, unverständlichsten die Liebe, vor allem die wahnsinnige. Jenes haltlos Hineingezogenwerden in ein Anderes, das eigentlich gar nicht ins gewohnte, funktionierende Leben passt.

Ein doppelter Betrug zwischen zwei Vergebenen und die daraus sich ergebende Kernfusion des Verbotenen, umso sinnloser Begehrten, und dann der Verlust der gemeinsamen Osmose, der Zerfall der kommunizierenden Gefäße, die Halbwertszeit des wunschlosen folgenden Unglücks – und die durch diesen Zersetzungsprozess paradoxerweise schließlich beförderte Selbstfindung der Verlassenen.

Es wäre nicht Olga Flor, wenn aus diesem Wiedergeburtsszenario nicht doch auch politische Wirklichkeiten hervorblitzen als Stroboskoplicht, das die Häuslichkeit und den biedermeierlichen Rückzug durchbricht: nichts Geringeres als das Jahr 2015 mit den Schicksalen der Flüchtenden und der Einheimischen. (Julya Rabinowich, 3.11.2017)