"Es wäre reizvoll, neben dem Parlament ein Zelt aufzuschlagen": Kogler in den schon fast leeren Klubräumen der Grünen.

Foto: Matthias Cremer

"Wir müssen jetzt Woche für Woche für unser organisatorisches und politisches Überleben durchhalten": Kogler über das Finanzdebakel der Grünen.

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STANDARD: Sie geben dieses Interview in den Räumlichkeiten des grünen Parlamentsklubs in der Löwelstraße. Drehen Sie nach dem Auszug am 8. November als Letzter die Lichter ab?

Kogler: Vielleicht braucht es das gar nicht. Fest steht, dass unsere vier Bundesräte und drei EU-Abgeordneten weiterhin eine Bleibe brauchen. Ob das hier in der Löwelstraße ist, hängt von der Entscheidung der Präsidiale des Parlaments ab.

STANDARD: Wo soll die grüne Bundespartei nach dem Rausflug aus dem Nationalrat unterkommen?

Kogler: Aus unserem Büro am Wiener Rooseveltplatz würden wir am liebsten sofort raus, um jeden Euro zu sparen. Aufgrund der langen Kündigungsfrist wird sich das aber noch monatelang hinziehen. Parallel dazu werden wir uns wie in unserer Gründungszeit auf die Suche nach bescheidensten Räumlichkeiten begeben. Wir sitzen also nicht auf der Straße, auch wenn es reizvoll wäre, neben dem Parlament ein Zelt aufzuschlagen – denn bis das Gebäude fertigsaniert ist, können auch wir wieder in den Nationalrat einziehen.

STANDARD: Wollen Sie bis dahin Vollzeitparteichef sein – oder werden Sie sich auch nach einem anderen Job umsehen müssen?

Kogler: Das weiß ich noch nicht. Gehaltsforderungen an die Grünen habe ich jedenfalls noch keine gestellt. Vieles ist noch in Schwebe. Fakt ist aber: Wir müssen jetzt Woche für Woche für unser organisatorisches und politisches Überleben durchhalten – obwohl der gesamte Bundesvorstand nach unserem Wahlergebnis eigentlich rücktrittsreif wäre. Aber das würde den Insolvenzfall auslösen, weil ja unsere Gläubiger ein handlungsfähiges Gegenüber brauchen.

STANDARD: Sie müssen sich mit einem fünf Millionen hohen Schuldenberg herumschlagen und haben Ihrem Hauptkreditgeber, der Erste Bank, einen Sanierungsplan vorgelegt. Wie sieht der aus?

Kogler: Die Verhandlungen mit der Bank haben gerade erst begonnen und gehen nun Schritt für Schritt, sodass ich hier keine Details preisgeben kann. Nur so viel: Uns geht's ein bisschen wie Griechenland – jetzt ist einmal Krise und Rettung angesagt.

STANDARD: Können Sie schon sagen, ob alle grünen Landesgruppen bei der Schuldentilgung gleich stark gefordert sind – oder bekommen die Niederösterreicher, Tiroler, Kärntner, Salzburger Schonfrist, weil sie demnächst Landtagswahlen schlagen müssen?

Kogler: Es wäre logisch und richtig, wenn alle Neune beim Stemmen des Sanierungsplans bis Jahresende dabei wären – aber vereinbart ist, dass sich das die Landesorganisationen untereinander ausmachen.

STANDARD: Braucht es nach der Wahlschlappe nicht auch neues Personal?

Kogler: Mein Plan ist, dass der nächste Bundeskongress nach der letzten Landtagswahl im April, also vor Sommerbeginn, stattfindet. Dort soll dann alles zur Disposition stehen: personell, finanziell, programmatisch und die Form der Außenauftritte. Bis dahin werden wir entsprechende Arbeitsgruppen einsetzen.

STANDARD: Was muss sich bei den Außenauftritten ändern?

Kogler: Zwar haben wir beste soziologische Analysen, was unsere Wählerschaft betrifft – aber seit Ende 2015 konnten wir wegen der Themenlage monatlich dabei zusehen, dass wir immer weniger Menschen ansprechen. Deswegen müssen wir unsere Außenauftritte künftig so gestalten, dass uns zumindest die Hälfte der Bevölkerung folgen kann.

STANDARD: Klingt nach Peter Pilz, der das schon zu Beginn der Asylkrise gefordert und auch deswegen seine eigene Liste gegründet hat.

Kogler: Keineswegs. Denn ich meine damit nicht, dass wir unser Programm für möglichst viele Wähler umschreiben sollen. Aber unsere Politik muss von mehr Leuten verstanden werden.

STANDARD: Nach den Reibereien mit fatalen Folgen bei der Nationalratswahl kursieren Vorschläge, wie man die basisdemokratische Listenerstellung entschärfen könnte. Sind Sie dafür, dass die Parteispitze für die ersten Plätze ein Durchgriffsrecht hat?

Kogler: Auch das ist eine Frage, die gestellt werden muss. Meines Erachtens ist eher eine Verbreiterung anzustreben. In Deutschland etwa erfolgt die Wahl der Spitzenkandidaten durch die Mitglieder der Partei. Damit würden nicht 300 Delegierte an dem Auswahlverfahren teilnehmen, sondern viele tausende Menschen.

STANDARD: Aber wie wollen Sie die Menschen jetzt noch erreichen?

Kogler: Allein in meinem E-Mail-Account sind seit der Wahl vier- bis fünfhundert Mails gelandet – zu 95 Prozent positive, weil viele unser Scheitern bedauern. Freilich kommt auch Kritik, die aber brauchbar und konstruktiv ist und sich gar nicht so sehr von unserer Selbstkritik unterscheidet. Die meisten wollen aber vor allem eines: sich bei uns einbringen. Da sind die unterschiedlichsten Leute dabei, die wir noch vor Weihnachten zu einem großen Treffen einladen wollen. Das bringt frischen Wind. Daher werde ich auch in die Landeshauptstädte fahren und dort eine Einladung zum Mitgestalten aussprechen.

STANDARD: Alle Zeichen stehen auf Türkis-Blau. Reicht es, mehr Leute für die Grünen anzuwerben?

Kogler: Natürlich nicht, deshalb werden wir mit vielen Initiativen und NGOs die Zusammenarbeit suchen. Im Unterschied zum Jahr 2000 ist das ja keine Überraschung, dass Schwarz-Blau kommt. Angesichts des drohenden gesellschaftlichen Backlash könnte der Protest noch frecher als damals werden – und dafür braucht es auch die Grünen. Aber nur herumzurennen und zu rufen, Schwarz-Blau droht, wäre grotesk. Der Widerstand muss sich diesmal an den konkreten Regierungsvorhaben entzünden.

STANDARD: Den Grünen fehlt aber das Geld für solche Kampagnen?

Kogler: Die Spendenbereitschaft ist derzeit aber enorm. Auf unserer Homepage raschelt es ganz schön dahin – also für grüne Verhältnisse. Allein die ersten zehn Tage nach der Wahl sind nach unserem Aufruf rund 50.000 Euro eingelangt. Die Bereitschaft, uns zu unterstützen, ist breiter geworden. Darauf müssen wir bauen. Und auch die Landesparteien haben starken Zulauf. Ich weiß das aus Wien und der Steiermark – es gibt Parteieintritte, und zwar so viele wie noch nie, seitdem ich dabei bin.

STANDARD: In Wien sieht sich Planungssprecher Christoph Chorherr aber nun mit Vorwürfen konfrontiert, weil Immobilienunternehmer an sein Schulprojekt in Südafrika hohe Summen gespendet haben – und er als Vizevorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Stadtplanung auch Entscheidungen über "seine" Spender getroffen haben soll.

Kogler: Die Kollegen in Wien sind gerade dabei zu bewerten, welche Angriffe – und zwar Korruption und Geldwäsche – völlig haltlos sind. Denn die Frage ist, wo lag überhaupt eine mögliche Entscheidungsgewalt bei Chorherr, um solche Vorwürfe zu erheben? Für mich ist Chorherr ein hochintegrer Mensch und Politiker. Nachdem seine Gegner und er selbst Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft eingebracht haben, ist jetzt einmal die juristische Instanz da, die das prüft. Aber auch unser Bundesvorstand wird sich damit nächste Woche befassen.

STANDARD: Gerade von den Grünen erwartet man sich aber, dass alles supersauber ist.

Kogler: Vor dem Hintergrund werden wir uns das auch ansehen. Aber die behauptete Vorwurfslage ist nicht einmal annähernd fundiert.

STANDARD: Warum legte Chorherr bisher nicht alle Spender, Summen, Rechnungsabschlüsse offen?

Kogler: Die größeren Spender wird man bald erfahren – und auch ich erwarte eine Offenlegung des Vereins. Aber ich verstehe die Reaktion, dass zuerst alles Wissen zusammengetragen wird, um es der Staatsanwaltschaft zu übergeben.

STANDARD: Soll Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bei der nächsten Wien-Wahl wieder Spitzenkandidatin sein?

Kogler: Ich glaube nicht, dass ich in der Position bin, derartige Zurufe abzusetzen – und würde ich es sein, würde ich es auch nicht machen. Nur: Wer sind gerade wir jetzt? Bloß die Bundesgrünen. (Peter Mayr, Nina Weißensteiner, 3.11.2017)