Weichteilsarkome entstehen auch im Beckenbereich. Schmerzen werden lange als Rückenleiden missinterpretiert.

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Zu spät. Obwohl die Früherkennung bei der Heilung von Sarkomen eine wesentliche Rolle spielt, kommen die meisten Patienten viel zu spät zu einem Spezialisten. "Extrem teure und aufwendige Therapien können das Leben dann oft nicht mehr retten", sagt Reinhard Windhager, Leiter der Klinik für Orthopädie am AKH Wien. Pro Jahr werden in Österreich etwa 350 Sarkome neu diagnostiziert, der Großteil davon sind Weichteil-, seltener treten Knochensarkome auf.

Weichteilsarkome, bei denen sich der Tumor aus dem Bindegewebe entwickelt, werden meist zufällig entdeckt. "Es gibt keinen Tumormarker im Blut und nichts, was bei einer Vorsorgeuntersuchung darauf hinweisen könnte", sagt Windhager. Es kann sein, dass sich das Sarkom zwar bemerkbar macht, aber viel Zeit vergeht, bis es gefunden wird. "Mitunter drückt es auf einen Nerv, und die Schmerzen strahlen irgendwo hin aus, dann wird an der falschen Stelle gesucht." Immer wieder werde ein Sarkom fälschlicherweise auch für einen Bluterguss gehalten.

Gut und böse unterscheiden

Hinzu kommt, dass niedergelassene Ärzte statt eines Sarkoms häufig einen gutartigen Tumor diagnostizieren. "Die meisten sind auch gutartig. Was man selten sieht, erkennt man nicht. Man darf den niedergelassenen Ärzten keine Schuld geben. Die falsche Diagnose ist keine Unwissenheit, sondern eine Fehleinschätzung", sagt Thomas Brodowicz, Onkologe und Sarkomspezialist an der Med-Uni Wien. Er ist wie Reinhard Windhager Teil des Comprehensive Cancer Center (CCC) der Med-Uni und des AKH Wien, das Berufsgruppen der beiden Institutionen vernetzt, die Krebspatienten behandeln, Krebserkrankungen erforschen und in der Lehre und Ausbildung aktiv sind.

Sarkom und Tumor – das ist ein großer Unterschied. Ein Weg, die gut- von den bösartigen zu unterscheiden, ist ihre Lage. Erstere befinden sich in 99 Prozent aller Fälle oberflächlich und sind in der Regel kleiner als fünf Zentimeter. "Alles, was größer ist als ein Golfball oder im Fettgewebe bzw. innerhalb der Muskelfaszien oder tiefer liegt, ist gefährlich", sagt Windhager.

Ist die Diagnose Sarkom dann gestellt, werden Patienten immer wieder, vor allem in kleinen Spitälern, falsch operiert. "Es muss der ganze Muskel entfernt werden, in dem das Sarkom gelegen ist. Oft wird jedoch zu knapp am Tumor operiert, obwohl die betroffene Extremität sogar amputiert wurde", sagt Windhager. Kleine Spitäler entscheiden sich häufiger für eine Amputation. Dabei sei das nicht unbedingt die bessere Lösung, was zählt, sei die Qualität der Operation, so Windhager. Entgegen internationaler Daten zeigen Studien aus Wien, dass bei einer adäquaten Operation die Wahrscheinlichkeit für Lokalrezidive – also eine Rückkehr des Tumors – bei Erhalt der Extremität sogar geringer ist als bei einer Amputation.

Viel Erfahrung

Adäquate Behandlung erhalten Patienten in spezialisierten Zentren, in Österreich gelten als solche das AKH Wien und die Uniklinik Graz. Nur an einem Zentrum kann die notwendige interdisziplinäre Versorgung garantiert werden. "Es braucht Sarkompathologie, Tumororthopädie, Strahlentherapie, Onkologie und Radiologe", sagt Brodowicz.

Weichteilsarkome sind eine "orphan disease", also eine seltene Krankheit. Ein Charakteristikum ist zudem die enorme Diversität. "Wir kennen bei Sarkomen etwa 70 verschiedene Formen", so Brodowicz. "Eine Standardtherapie ist in der Behandlung nur bedingt hilfreich. Es zählt jahrzehntelange Expertise", sagt Brodowicz.

Bei einem Großteil der Sarkome steht in puncto Therapie eine Operation an erster Stelle, darauf folgt die Bestrahlung. "Bei manchen Subgruppen ergibt sich auch durch eine Chemotherapie ein großer Zuwachs an Lebensqualität für die Patienten", sagt Windhager. Für die Wirksamkeit der Immuntherapie gibt es erste Signale, "das muss aber noch weiterentwickelt werden", so Brodowicz. Er erklärt, dass bei so seltenen Erkrankungen wie den Sarkomen die tägliche Hausaufgabe von Medizinern sei, Medikamente off-label, also außerhalb ihrer Zweckbestimmung, anzuwenden. "Bei 70 Subtypen geht es gar nicht anders", so der Spezialist.

Bekannte Ursachen

Da Sarkome so selten und die Subgruppen so unterschiedlich sind, lasse sich auch eine Häufung in der Bevölkerung nicht festmachen, erklären die Experten. Bestimmte Formen treffen nur junge Frauen zwischen 20 und 30, andere haben den Altersgipfel bei 60 Jahren. Auch eine familiäre Häufung kommt nur in ganz wenigen Subtypen vor.

Für den Großteil der Sarkome kennt man bislang keine Ursachen. Ausgenommen: Das strahleninduzierte Sarkom tritt etwa 15 Jahre nach einer Strahlentherapie mit veralteten Methoden auf, eine andere Form nach Hormonexposition, etwa nach einer Schwangerschaft. An einer dritten Variante erkranken Winzer, die mit einem bestimmten Pestizid zu tun hatten, das heute nicht mehr verwendet wird.

Nach der Therapie muss der Patient drei Jahre engmaschig beobachtet werden, für mindestens zehn Jahre regelmäßig zur Nachsorge. "Bei 40 Prozent treten systemische oder lokale Rezidive auf – die erste Anlaufstelle ist meist die Lunge -, bei zehn Prozent war der Tumor schon bei der Erstdiagnose metastasiert, und 50 Prozent sind permanent geheilt." (Bernadette Redl, 7.11.2017)