Das Weiße Haus in Washington, D.C., als Hüpfburg für einen alt gewordenen kindlichen Präsidenten, der sich zum Affen twittert: Elfriede Jelineks "Am Königsweg" in Hamburg.


Foto: Schauspielhaus Hamburg

Sie musste kommen, die große Auseinandersetzung Elfriede Jelineks mit Donald Trump. Sind sie doch beide Kämpfer mit der Waffe Wort. Aus Endlossätzen und getwitterten Zweizeilern. Vielschichtig assoziativ hier, gefährlich simpel dort.

Es begann an jenem Wahlabend in den USA, an dem man in Europa mit einem "Es wird schon nicht so schlimm kommen" ins Bett ging. Um am nächsten Morgen mit dem Triumphgeheul der Postfaktischen aufzuwachen. Jelinek begann in dieser Nacht, ihre beredte Sprachlosigkeit zu einem neuen Stück zu machen.

Am Königsweg kam zuerst als Hörspiel in die Welt, jetzt aber kam es, ganz ordentlich, im Deutschen Schauspielhaus Hamburg als Uraufführung auf die Bühne. Dort wird es sich schon deshalb halten, weil sich der Theaterbesucher mit dieser Autorinnen-Standpauke gegen die Unvernunft der Anderen besser fühlen dürfte als ohne sie. Außerdem bekommt keiner die große Sprachlosigkeit so virtuos hin wie die österreichische Nobel-Kassandra.

Dabei wird der, um den es geht, namentlich nicht genannt. Auch nicht seine Funktion als Präsident der Vereinigten Staaten. Doch der König, der neben der Autorin selbst den Text dominiert, gleicht dem aktuellen Präsidenten aufs toupierte Haar. Am Königsweg treffen vor allem diese beiden aufeinander und gehen aufeinander los. Mehr sie auf ihn. Schon, weil er es mit Dichterinnen ihres Jahrgangs, dem Wort und der Suche nach der Wahrheit bekanntlich nicht so hat.

Muppets-Slapstick

Sich so ins Zentrum zu rücken, dabei für und zu uns zu sprechen, versteht diese Autorin wieder meisterhaft. Diesmal beklagt sie mehr als sonst ihre aufdämmernde Bedeutungslosigkeit.

Falk Richter hat diesmal die Ehre, die Worte, die die Autorin von der Leine lässt, wieder einzufangen und für die Bühne zu bändigen. Also aus den typischen Textflächen praktikable Rollen zu filtern, die sich dann Matti Krause, Tilman Strauß, Julia Wieninger und Frank Willens teilen. Für Theaterlegende Ilse Ritter und Benny Claessens kommen dabei zwei herrlich konträre Soli heraus. Die Ritter bringt mit faszinierend melancholischer Noblesse jenseits allen Brülltheaters den Text gleichsam von innen zum Leuchten. Sie sorgt für die Wortedelsteine des Abends. Während sich Claessens zum Affen macht, wenn er den König als Miss Piggy gibt und wie ein bockiges alt gewordenes Kind das Weiße Haus für eine Hüpfburg hält.

Man könnte Richters Regie, dem Bühnen- und Kostümtrash die betonte Bruchstückhaftigkeit ankreiden. Zugleich lässt Richter seine Darsteller vor allem ihre Stärken ausspielen. Damit sichert er neben den Brüllcrescendi auch das Wortewägen.

Richter setzt auf den Wechsel von Lautstärke und emotionaler Temperatur. Es gibt: die noble Stimme der Autorin; die Konzentration auf das todernst gemeinte Wort und analytischen Ehrgeiz; die kollektive Leseprobe am Tisch und entfesselten Muppets-Slapstick. Dazwischen: Idil Baydar als Ayse mit ein paar Sticheleien aus ihrem Programm Ghettolektuell über Menschen, die keinen Wert, aber sehr viel Zeit haben. Das hat mehr Sprengkraft als die Wut Jelineks auf die Banken.

Das Publikum fühlt sich in seiner Anti-Trump-Haltung bestätigt. Und in seiner Skepsis über die Macht der Worte, für die Twitter das falsche, die Bühne aber das richtige Medium ist. (Joachim Lange, 6.11.2017)